Das neue Schuljahr begann für 13 Schüler des Technischen Gymnasiums der BBS 1 Technik Kaiserslautern mit einer Reise nach Griechenland, um in Ioannina zusammen mit ihren Partnerschülern des 8. Allgemeinen Gymnasiums Ioannina die Verbrechen der deutschen Wehrmacht in der Region Epirus im Nordwesten Griechenlands aufzuarbeiten. Unter dem Motto „Memory, Acceptance, Solidarity“ war die Gruppe auf den Spuren der Geschichte unterwegs und besuchte das Märtyrerdorf Lyngiades.

Nachdem im April dieses Jahres die Schülergruppe des 8. Allgemeinen Gymnasiums Ioannina zum Austausch nach Deutschland gekommen war, um gemeinsam mit ihren Partnerschülern über die Verfolgung von Minderheitengruppen während der NS-Zeit zu arbeiten, stand von 10. bis 17. September die Reise der deutschen Schülerinnen und Schüler der 13. Jahrgangsstufe des Technisches Gymnasiums der BBS 1 Technik Kaiserslautern zu einer sehr intensiven Woche der Erinnerungsarbeit in Ioannina und Umgebung an.

Dem herzlichen Wiedersehen am späten Abend des Anreisetages folgte eine Einführung in die Geschichte der Stadt Ioannina, der Hauptstadt der Provinz Epirus, mitten in den Bergen an einem See gelegen, bei einer ausführlichen und mit sachkundigen Erläuterungen versehenen Stadtführung. Spuren einer langen Tradition der friedlichen Koexistenz der drei großen Religionen und Kulturen prägen bis heute die quirlige, weltoffene Stadt.

Herausfordernder Ortstermin im Märtyrerdorf, das „der Balkon“ genannt wird
Mit den frischen Eindrücken und Erkenntnissen ausgestattet, machten sich die beiden Schülergruppen in den Folgetagen an die intensive, emotional teilweise sehr fordernde Erinnerungsarbeit, um einige Aspekte der Terrorherrschaft aufzuarbeiten, mit der die Wehrmacht während der NS-Besatzung Leid und Tod über die Zivilbevölkerung in Ioannina und Umgebung brachte. Zwei Schwerpunkte der Bearbeitung hatte das Lehrkräfte-Team dafür ausgewählt: die Schoa, also die Verfolgung, Deportation und Ermordung der jüdischen Bevölkerung aus der Gegend und ein Besuch von einem der „Märtyrerdörfer“ im Epirusgebirge.

Als Märtyrerdörfer wird eine Vielzahl an kleineren und größeren Ortschaften in ganz Griechenland bezeichnet, die von deutschen Wehrmachtssoldaten heimgesucht wurden, um die Bevölkerung – vom Säugling bis zum Greis – zu ermorden und die Häuser abzubrennen.

Die Projektgruppe besuchte das Dorf Lyngiades. Es wird wegen seiner exponierten Lage am Berghang gegenüber von Ioannina als „der Balkon“ bezeichnet. In diesem kleinen, friedlichen Ort richteten die NS-Soldaten am 3. Oktober 1943 ein schreckliches Massaker an, bei dem über 80 Zivilisten, darunter elf Kinder und Säuglinge, ermordet wurden.

Der Gemeindevorsteher des heutigen Dorfes begrüßte die Projektgruppe und führte den Dokumentarfilm „Der Balkon“ vor, der in Interviews mit Überlebenden und Angehörigen der Ermordeten das Geschehen nachzeichnet – ein Erlebnis, das insbesondere die deutschen Schülerinnen und Schüler zutiefst erschütterte. Regte sich im Nachgang bei einigen griechischen Schülerinnen und Schülern Wut auf alles Deutsche, konnten einige der Deutschen ihre Tränen nicht zurückhalten, sodass auf beiden Seiten zahlreiche beruhigende und seelsorgerliche Gespräche notwendig waren. Trotz aller Erschütterung waren insbesondere die deutschen Schülerinnen und Schüler dankbar für die intensive Erfahrung, denn, so einer der Schüler, „nur an solchen Orten kann man eine wirkliche Vorstellung davon bekommen, was unsere Vorfahren diesen Menschen angetan haben.“

Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung im Fokus
Nach intensiver gemeinsamer Arbeit an Texten, die Schicksale vornehmlich jüdischer Mitmenschen aus Ioannina zum Thema hatten, folgte ein Ausflugstag in die weitere Umgebung Ioanninas zu weiteren Märtyrerortschaften, aber auch, um Eindrücke der grandiosen Landschaften im Epirusgebirge zu gewinnen. Nach der sehr intensiven und fordernden gemeinsamen Gedenkarbeit konnten die Jugendlichen sich am vorletzten Tag schließlich etwas erholen in der Küstenstadt Parga. Der Besuch der griechischen Schule wurde am letzten Tag dazu genutzt, die Projektergebnisse zusammenzufassen und einen weiteren konzentrierten Workshop durchzuführen zur Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung in ganz Europa durch die Nationalsozialisten.

Trotz des schwierigen Themas war die Projektwoche dank der wunderbaren griechischen Gastfreundschaft und abendlichen Zusammenkünfte der Jugendlichen eine sehr schöne Zeit. Der Abschied war denn auch mit einigen Tränen auf beiden Seiten verbunden ebenso wie mit Versprechen, weiterhin in Kontakt zu bleiben.

Text und Fotos: Doris Lax

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.

Ein Gedanke zu “Auf den Spuren der Wehrmacht: Austausch zwischen Schulen aus Ioannina & Kaiserslautern

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..