Es war ein Austausch zwischen zwei Orten, die dunkle Kapitel in ihrer Geschichte teilen: Im Juni trafen sich Jugendliche aus Deutschland und Griechenland zu einer Begegnung in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück des ehemaligen Konzentrationslagers. Vom Norden Brandenburg ging es im Juli weiter nach Westmakedonien. Das Dorf Lechovo ist eins der sogenannten Opferdörfer, in denen Hitlers Wehrmacht zu Zeiten der deutschen Besatzung wütete. Dass es beim Austausch aber nicht nur um schwere Kost ging, beschreibt Teilnehmerin Durkje Salman im Bericht.
Am Anfang stand Corona und eine Menge Unsicherheit: Anfang 2022 fand unser Austausch nur über Online-Meetings statt. Das war die einzige Möglichkeit, dass wir einander kennenlernen konnten. Während dieser Meetings haben wir aber auch schon über die Geschichte des Zweiten Weltkrieges und über unsere Erwartungen gesprochen. Eines der Meetings wurde mit einem amerikanischen „Wordartist“ organisiert, der uns für uns eigenes Audioprojekt, das während der Austausche entstehen sollte, inspirierte.
Am 17. Juni war es dann soweit: Unsere Gruppe aus Lechovo, ein Dorf im Norden Griechenlands, etwa zwei Autostunden von Thessaloniki entfernt, reiste nach Berlin. In Lechovo mache ich seit Februar 2022 meinen Freiwilligendienst beim Kulturverein »Prophet Ilias«, der zusammen mit dem Internationalen Freundeskreis der Gedenkstätte Ravensbrück die Jugendbegegnung organisiert. Von Berlin aus ging es zusammen mit der deutschen Gruppe bis zum 22. Juni gemeinsam in die Jugendherberge Ravensbrück im Norden von Brandenburg. Die Jugendherberge liegt neben der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. In der Zeit des Nationalsozialismus befand sich in Ravensbrück das gleichnamige Konzentrationslager.




Audio-Soundfiles und Drucke entstehen
Zuerst bekamen wir einen Rundgang durch die Gedenkstätte und schauten uns anschließend die Ausstellungen an. Dabei lernten wir nicht nur mehr über die Geschichte, sondern konnten auch mit unseren Audioprojekten anfangen: Jeder Teilnehmende schrieb einen Text mit Bezug zur Geschichte von Ravensbrück und/oder Lechovo und nahm den Text danach auf. Die Audios wurden auch übersetzt, um sie auf Griechisch und Deutsch verfügbar zu machen. Neben den eigenen Texten wurden auch existierende Gedichte und Töne aus der Umgebung aufgenommen. Zusammen sollen diese Audiodateien zu einem Podcast zusammengefügt werden.
Außerdem haben wir Drucke angefertigt: Als Hintergrund wurde ein Bild von Lechovo oder Ravensbrück benutzt. Auf der oberen Ebene konnten die Teilnehmer ein eigenes Motiv auswählen und gestalten. Zuerst wurde eine Zeichnung angefertigt und die danach in Plastik gekerbt. Dann wurde mit Tinte bestrichen, um den Druck zu erstellen. Die Designs sollten etwas mit Ravensbrück, den eigenen Eindrücken oder der Geschichte von Lechovo zu tun haben. Die Drucke werden nun an beiden Orten ausgestellt, damit die Besucher der Gedenkstätte und die Dorfbewohner sie sehen können. So sieht eins der Ergebnisse aus.

Reise nach Lechovo: Auf den Spuren der Friedenswege
Vom 19. Juli bis 26. Juli kamen die Teilnehmer aus Deutschland zum Rückbesuch nach Lechovo. In dieser Zeit wurde in Lechovo der Namenstag des Propheten Ilias gefeiert und es gab mehrere sogenannte Panigiri, das sind traditionelle griechische Feste. Dadurch haben die deutschen Teilnehmer die griechische Kultur besser kennengelernt und auch mehr über das Dorf und seine Geschichte, unter anderem während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg, gelernt. Lechovo wurde im Juli 1943 von Wehrmachtstruppen niedergebrannt. Am Jahrestag, dem 24. Juli, gedenken die Lechoviten der Opfer mit einer Messe und einer Kranzniederlegung am Mahnmal, bei der wir dabei sein durften.
Außerdem liefen wir einen Teil der Friedenswege, die„Paths of Peace“, die unter anderem durch mehrere der Opferdörfer führen. Diese Wege wurden 2017 in Zusammenarbeit mit Deutschland fertiggestellt. Auch gab es mehrere Workshops, die auf die Geschichte, aber auch auf die kulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten fokussierten.



Während der beiden Austausche haben alle Teilnehmer mehr über die jeweils andere Kultur gelernt – aber auch über die (geteilte) Geschichte. Aus Lechovo wurde zwar niemand nach Ravensbrück deportiert, aber viele griechische Juden aus Thessaloniki wurden auch nach Ravensbrück deportiert. Die Teilnehmer haben darüber gesprochen und festgestellt, wie unterschiedlich die Geschichte in den beiden Ländern behandelt wird.
Die Jugendbegegnung wurde vom Deutsch-Griechischen Jugendwerk (DGJW) gefördert. Kooperationspartner sind der Internationale Freundeskreis der Gedenkstätte Ravensbrück und der Kulturverein »Prophet Ilias« in Lechovo. Die Servicestelle IJAB hat den Austausch mit angeregt und intensiv begleitet.
Text: Durkje Salman
Redaktion: Lisa Brüßler