Im Norden Griechenlands, in der Region Westmakedonien, verlaufen rund um das Dorf Lechovo die Paths of Peace, die Friedenswege. Diese Wanderwege entdecken ein unbekanntes Griechenland. Regionales Brauchtum und Geschichte verbinden sich dort mit atemberaubender Natur und schaffen vielfältige Möglichkeiten für internationale Jugendbegegnungen und außerschulische Bildungsarbeit.
Wenn alle Frontlinien dieser Erde zu Friedenswegen würden, entstünden Wandermöglichkeiten von abertausenden von Kilometern. Über und entlang der Pfade nehmen wir den Wert der Natur wahr, lernen über unsere Vergangenheit und bewegen uns in eine friedlichere Zukunft. Seit Juli 2019 besteht der Wanderrundweg in Lechovo: In drei bis viertätigen Wanderungen können atemberaubende Ausblicke, naturbelassene Seen, einsame Orte im Wald und geschichtsträchtige Plätze besucht werden.
Nachhaltige und umweltgerechte Gesichtspunkte in Verbindung mit einem zeitgemäßen pädagogischen und kulturhistorischen Erinnerungs-Tourismus standen beim Ausbau dieser regionalen Wege zu Qualitäts-Themenwegen im Vordergrund. Durch die Jahrhunderte hat die Gegend mehrere Kriege durchlebt sowie die Zerstörungen während der deutschen Besatzungszeit. Das Wegeverbundsystem vermittelt anhand App-unterstützter Themenschleifen historisch und kulturell Interessierten einen Einblick in die vielfältige Geschichte der umliegenden Dörfer.
Erinnern – Friede ist Verantwortung und Weitblick
Die Wanderwege in verschiedenen Längen, Etappen und Schwierigkeitsgraden, führen von Lechovo über Asproeiga bis nach Nymphaio, hinab nach Agrapidia und über Sklithro nach Limnochori und zurück nach Lechovo durch endlosen Buchenwaldbestand, hinauf auf Bergrücken und über alte Handelswege vorbei an den Zazari- und Cheimaditida-Seen und geschützter Fauna und Flora. Eine Vielfalt von Sehenswürdigkeiten wie volkskundliche Museen, Ausgrabungen, ein Wolfs-Schutzpark, ein Bärenschutzgehege, Kirchen, Gastronomie, Hotellerie und Aktivitäten stehen in der Region zur Verfügung. In Lechovo wurde eigens im April 2019 das Gästehaus „Monopati“ eröffnet. Die „Friedenswege“ verfügen über Infopoints, eine lokale Fahrradmietstation und einen Verleih für Wanderausrüstung.
Trotz vieler Touristen sind die griechischen alternativen Tourismusangebote weitgehend unbekannt. Die „Friedenswege“ bieten Erinnerungskultur in geschickter Kombination mit Naturerlebnissen am Berg und einen regionalen Mehrwert. Die weite Region eröffnet die Möglichkeit, naturnahe Erinnerungspädagogik zu betreiben in Form von Seminaren, Studienfahrten oder Führungen, internationalen Jugendbegegnungen und außerschulischer Bildungsarbeit. Dies beschränkt sich nicht nur auf Angebote, die die Zeit des Nationalsozialismus zum Gegenstand haben, auch andere Aspekte der Geschichte können behandelt werden.
Austausch an markanten Orten der Vergangenheit
Die Vitsi-Gebirgsregionen sind untrennbar mit dem Zweiten Weltkrieg verbunden. Hier verstrickten sich die deutsche Wehrmacht und der griechische Widerstand in einen Stellungskrieg, der Tote und ein Vielfaches an Verwundeten vor allem in der Zivilgesellschaft forderte. Das Bergmassiv rund um Lechovo ist durchzogen von alten Partisanenwegen, historischen Handelswegen und Maultierpfaden. Der im Südwesten gelegene Verno bildet die Grenze zur Gemeinde Kastoria. Im Westen steigt das Gebiet in die Berge des nördlichen Pindos-Gebirges an, die Massive des Varnoundas und des Vigla trennen Florina von der Gemeinde Prespes. Ein rund 30 Kilometer langer Höhenzug grenzt Florina von der südwestlich gelegenen Gemeinde Amyntaio ab. Im Nordosten reicht ein Streifen bis zum Voras-Massiv.
Die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg verlangte Griechenland Opfer ab, deren Umfang im heutigen Deutschland ebenso wenig bekannt ist wie das brutale Vorgehen der Besatzer. Die Wehrmacht hinterließ in der Region spürbare Folgen, insbesondere die nachhaltige Beschädigung der sozioökonomischen Grundlagen der zerstörten Dörfer. Wer griechische Opferdörfer heute besucht, erkennt schnell, dass die deutsche Besatzung nicht nur unfassbares menschliches Leid über diese Dörfer brachte, sondern dass auch die materielle Grundlage vieler Dörfer bis heute beschädigt ist.
Kriegsopfer des zweiten Weltkrieges erfahren ein einigendes Schicksal. Bis in die heutige Zeit werden sie in der EU-Gemeinschaft sehr unterschiedlich oder gar nicht mehr wahrgenommen Jahrzehnte nach dem Kriegsende und bedingt durch den Generationswechsel scheint in Deutschland eine zeitliche und emotionale Distanz zu überwiegen. In Griechenland jedoch ist die Vergangenheit noch sehr präsent. Eine stärkere Hinwendung der lokalen Erinnerungskultur in Deutschland und Griechenland kann dazu beitragen, die Wissenslücke in beiden Ländern zu verringern und durch gegenseitiges Verständnis versöhnlich auf die deutsch-griechischen Beziehungen einzuwirken.
Möglichkeiten für historisch-politische Bildung
Die Opfergemeinde Lechovo fördert in Westmakedonien das Bewusstsein für kulturelle Vielfalt und beugt radikalen Denk- und Handlungsmustern vor. Historisch-politische Bildung zum Nationalsozialismus ist eine pädagogisch anspruchsvolle Aufgabe. Der Kulturverein der Lechoviten bemüht sich seit Jahren aktiv um Erinnerungsprojekte. 2014/2015 nahm er an durch die EVZ geförderten Jugendaustauschen im Rahmen von ‚Europeans for Peace‘ sowohl mit der Evangelischen Kirchengemeinde Berlin-Charlottenburg als auch mit der Gelehrtenschule des Johanneums Hamburg teil und ist seit 2016 Partner der Kreisau-Initiative bei Jugendaustauschen über Erasmus+ in Polen und Griechenland. Im Mai 2016 war Lechovo Gastgeber der viertägigen zivilgesellschaftlichen Veranstaltung „Forum Erinnerung & Bildung: Orte des Terrors und Gedenken in Griechenland“ mit dem Ziel, Akteure von Opfergemeinden untereinander und mit Akteuren aus Deutschland und Griechenland zu vernetzen, die sich mit den Themen Erinnerung, Gedenken und Gedenkstättenkultur beschäftigen. 2016 und 2018 skizzierte der Kulturverein einen innovativen Projektansatz im Rahmen eines Friedenspfades der Jugend (Footprints of Peace) als deutsch-griechisches Jugendprojekt und Dauerausstellung, welches nunmehr durch das erfolgreiche Anlegen der Wanderwege mit Leben gefüllt werden kann.
Das Opferdorf Lechovo möchte mit den „Friedenswegen“ ein Zeichen der versöhnlichen Besinnung setzen. Das Pilotprojekt ist konkret darauf ausgerichtet, im Verbund mit weiteren Opferdörfern geeignete Wegestrecken synergetisch anzugliedern und das Wegenetz auszubauen, so dass zukünftig auch eine Qualifizierung als Qualitäts-Wanderweg für Opferdorf-Friedenswege angedacht werden könnte.
Aufbrechen – Friede ist Weg und Mühe
Erstmals vorgestellt wurde das Projekt für Wander- und Radfahrwege in der Region Lechovo als „Opferpfade historischer Erinnerung und Reflexion“ durch den aus Lechovo stammenden Historiker Dr. Panagiotis Fitzios im September 2012 auf der Konferenz „Erinnerungskultur und Jugendzusammenarbeit“ in Paraymithia. Protokolliert wurde es im November 2012 auf der Projektbörse „Historische Verantwortung – Zusammenarbeit mit Opferdörfern und jüdischen Gemeinden“ auf der DGV III in Thessaloniki. Ursprünglich angedacht für die Wegestrecke war die Achse der drei regionalen Opferdörfer Drosopigi-Lechovo-Kleissoura. Der Natur- und Wanderverein Lechovo kartographierte eigens die Bergregion und lieferte erste wegezeichnerische Pläne. Projektpräsentationen folgten auf diversen Foren und Veranstaltungen (u.a. März 2013 bei der ITB in Berlin; September 2014 Seminar der Evangelischen Friedensgemeinde Charlottenburg „Deutsch-griechischer Jugendaustausch und historische Erinnerung“).
Im November 2014 wurden auf dem 1. Deutsch-Griechischen Jugendforum in Bad Honnef Vorschläge zu dem Projekt „Historische Wanderwege-Erinnerungswanderwege-Märtyrerdörfer“ zwischen dem Kulturverein Lechovo, vertreten durch seinen ehemaligen Präsidenten Evangelos Stefanidis, und dem Aktuellen Forum NRW bezüglich dem Ausbau der Wanderwege durch Freiwilligendienste im Rahmen des Europäische Sozialfond (ESF) ausgetauscht. Ende des Jahres 2015 wurde angeregt, das Vorhaben für eine Finanzierung bei dem „Deutsch-Griechischen Zukunftsfond“ einzureichen. Dieser bezweckt, eine gemeinsame deutsch-griechische Erinnerungskultur zu schaffen und gegenüber den Opfergemeinden ein Zeichen der Versöhnung zu setzen. Die diversen Vorstellungen der Kulturvereine der Opferdörfer Drosopigi, Kleissoura und Lechovo und ihrer kommunalen Vertreter hinsichtlich des Ob und Wie einer regionalen Zusammenarbeit im Rahmen dieses Projektes führten, trotz entsprechender Antragstellungen in 2016, zu einem Stocken in der Phase der Durchführung.
Erst im August 2017 konnten auf Initiative des Generalkonsulates Thessaloniki die Kontakte zu Lechovo und vor allem die Expertise im Netzwerk für die Umsetzung des Vorhabens erneut gehoben werden. Sowohl die Kommune als Opferdorfgemeinde als auch der Kulturverein Lechovo setzen sich vor Ort aktiv für die erfolgreiche Implementierung des Projektes ein. Weiter sorgte Fivos Tsaravopoulos von Paths Of Greece für die professionelle Planung und den Ausbau der Wanderwege, Anja Hack übernahm die Projektleitung, Vassilis Katsonis war Experte für Radwanderwege. Panagiotis Fitzios steuerte sein Wissen als regionaler Historiker, Diadrasis das Kulturgutachten, Dimitrios Papandropoulos die Umweltstudie sowie Staridas Geography ihre Expertise für Webapplications bei. Die Führung des Wegeleitsystems wurde auf den Ausbau eines erlebnisorientierten Qualitäts-Rundwanderweges im Kurz- und Mittelstreckenbereich für Wanderer und Mountainbiker optimiert und der Masterplan der Friedenswege auf Lechovo und die angrenzende Region Amyntio/Florina begrenzt.
Ein wichtiger Bereich bezog sich auf die Wettbewerbsfähigkeit der Wanderangebote. Um dies zu erreichen, bedurfte es des Aufbaus von kommunalen und regionalen Kontakten und deren Vernetzung, vor allem aber einer praxisorientierten Zusammenarbeit. Eingeladen in den offenen Austausch waren die Gemeinde Amyntio, der Landkreis Florina als auch viele Initiativen und überregionale Experten, die einen Beitrag zur Entwicklung leisten oder sich engagieren möchten. Auf Informationsveranstaltungen und hochwertigen Workshops für Wandervereine, Tourismusbetriebe, Interessierte der internationalen Kultur, Wanderbuchverlage, Reiseveranstalter, Dienstleister, Hoteliers, Gastronomie und öffentliche Verwaltung wie Forstamt und Gemeindevertreter wurde die breite Öffentlichkeit informiert.
Mitte Juli 2019 konnte das Projekt erfolgreich abgeschlossen werden: ca. 40km Qualitäts-Wanderwege wurden nach Plan gesäubert, geöffnet, angelegt und nach neustem Standard weggezeichnet. Die über 2wöchigen Wegearbeiten, d.h. Säuberung des Wegenetzes, Anlegen der Ruhepunkte und teilweise neuem Unterbau der Wege, Wegeauszeichnung und Aufstellen der Wegzeichnungspfosten und die Wegfarbzeichnung übernahmen unter Bauleitplanung von Paths of Greece vor allem örtliche Kräfte. Weitere 70km Radwanderwege stehen für Besucher zur Verfügung. Neben der mehrsprachigen Website informiert ein Online-Wanderführer in Form einer Android-App über den „Friedensweg“.
Die offizielle Eröffnung der „Friedenswege“ in Lechovo ist geplant für Sonntag,den 27. Oktober 2019; zeitgleich wird das berühmte „Fest der Pita“ gefeiert, bei dem man auf den Plätzen Lechovos traditionelle hausgemachte Köstlichkeiten genießen kann.
Start/Ziel: Lechovo | Länge: 39,2 km | Schwierigkeit: mittel | Gehzeit: 3-4 Tage | Höhenmeter: auf/ab je 1.490 m | Einkehrmöglichkeiten: Übernachtung und Verpflegung in Lechovo, Nymphaio, Sklithro, Limnochori | Verleih Mountainbikes und Wanderzubehör: Lechovo
Wanderguide-Application „Friedenswege“ für Android erhältlich hier.
„Friedenswege“ ist ein Projekt des Kulturvereins der Lechoviten „Profitis Ilias“. Das Projekt wurde mit Mitteln des Deutsch-Griechischen Zukunftsfonds mit freundlicher Unterstützung des Deutschen Generalkonsulats in Thessaloniki finanziert. Ziel ist nicht nur, einen nachhaltigen Tourismus in der Region zu etablieren, sondern die Erinnerung an die Vergangenheit zu wahren und inmitten unberührter Natur einen Weg für eine gemeinsame friedliche Zukunft zu beschreiten.
Text: DiplWJur. Anja Hack, Projektleitung
Fotos: Fivos Tsaravopoulos, Paths of Greece
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