Tag Zwei und Drei der ersten DGJW-Zentralstellenkonferenz standen im Zeichen von Workshops und Erfahrungsaustauschen. In den fünf Slots ging es um Themen wie Sprachanimation, Projektmanagement, die Förderrichtlinien, aber auch um Erfahrungen aus der Praxis. Ein Einblick in zwei besondere deutsch-griechische Austauschprojekte.
86 Namen und Nummern standen am Anfang. Dass über die Hälfte dieser Namen und damit Biographien, einen Bezug zu Thessaloniki haben würden, war Christina Preftitsi, Deutschlehrerin an der Deutschen Schule Thessaloniki (DST), noch nicht klar als die Schule vom Deutsch-Französischen Gymnasium in Freiburg gefragt wurde, ob sie Teil eines besonderen Geschichts- und Übersetzungsprojekts werden wolle. Worum es dabei genau ging? 86 jüdische Frauen und Männer, die 1943 im Konzentrationslager Natzweiler-Struthof im Elsass für medizinische Forschungen an der Universität Straßburg ermordet wurden. 46 der Opfer stammten aus Thessaloniki – dies hatte wohl mit dem Zeitpunkt der Deportationen nach Auschwitz zu tun. Historiker Hans-Joachim Lang hatte durch jahrelange Recherchen alle Namen der Opfer aus acht Ländern Europas entschlüsseln und auch Lebensläufe rekonstruieren können.
Auf den Spuren der Opfer
Gemeinsam mit den Deutschen Schulen in Den Haag, Oslo, Warschau und dem Freiburger Gymnasium wurden die Biographien in alle Muttersprachen der Opfer übersetzt. Christina Preftitsi und ihre Schüler steuerten im Schuljahr 2019/2020 die Übersetzung ins Griechische bei: „Möglich war das nur durch eine klassenübergreifende Kooperation von Schülern und Lehrkräften aus Philologie, Geschichte und mir als Deutschlehrerin und Übersetzerin“, erklärt Preftitsi das Projekt. Einen Höhepunkt bildete im Juni 2020 die Fahrt ins Elsass. „Dort hatten die Schüler die Gelegenheit, die Übersetzungen abzuschließen und sich mit Schülern aus Den Haag auszutauschen, die die Biographien ins Niederländische übersetzt hatten – und wir konnten an der offiziellen Gedenkfeier der Gedenkstätte Struthof-Natzweiler am 23. Juni mit teilnehmen“, berichtet sie.
In einem anderen Projekt für den Wettbewerb für deutsche Auslandsschulen „Erinnern für die Gegenwart“ beschäftigten sich ihre Schüler mittels eines Dokumentarfilms mit der Geschichte ihrer Schule während der Besatzungszeit bis 1944 und dem Holocaust in Thessaloniki. „Wir wollten im Archiv der Schule recherchieren, allerdings wurden wir dort nicht fündig, weil es eine große Lücke mit fehlenden Dokumenten gab“, berichtet Prefititsi. Auch im Bundesarchiv fanden die Schüler nur Korrespondenzen, aber keine Antworten auf ihre Fragen etwa danach, wie viele jüdische Schüler oder Arbeitskräfte es gab, ob sie deportiert wurden und wie sie hießen. Dann kam die Corona-Pandemie, die einen Besuch in den Archiven in Auschwitz und einen Austausch mit polnischen Schülern unmöglich machte. „Damit es trotzdem Ergebnisse gibt, die bleiben, entschieden wir uns, einen Dokumentarfilm zu erstellen und hier Interviews mit Personen aus dem Täter- und dem Opferland sowie der Opfergruppe zu führen“, erklärt Preftitsi. Zwischen April und Juni wurde gedreht, dann folgte der Schnitt und nun stehe die Phase der Übersetzung und Untertitelung an. Ende des Jahres soll der Film fertig sein.


„Die wichtigsten Momente in der aktiven Auseinandersetzung waren die, in denen die Schüler etwas vor Ort erkundet haben – teilweise auch solche Orte, an denen sie jeden Tag vorbei laufen“, resümiert Preftitsi ihre Erfahrungen. Es seien vor allem die methodischen Zugänge und die Verbindung von persönlicher oder familiärer Biographie und politischem Kontext, die das Geschichtsbewusstsein stärkten.
Geglückte Partnersuche
Von einem gelungenen Austauschprojekt zwischen den Städten Chortiatis und Düsseldorf sowie Kulmbach in Bayern berichtete Informatiklehrer Sotiris Tokalatsidis. In Deutschland geboren und aufgewachsen, wollte Tokalatsidis den Kontakt nach Deutschland aus seiner neuen Wahlheimat, der Kleinstadt Chortiatis in der Nähe von Thessaloniki, halten. Seine 2015 gegründete schulübergreifende Programmier- und Robotik-School (XProgTeam) sollte mehr sein als nur Computer in einem Raum an einem Gymnasium, entschied er.

„Am Anfang wusste ich auch nicht, was genau wir mit den Schülern machen können, aber über einige Konferenzen habe ich mit der Deutsch-Griechischen Gesellschaft in Düsseldorf einen engagierten Partner kennengelernt“, berichtet Tokalatisidis und betont, dass noch mehr Lehrkräfte die Möglichkeit haben müssten, Angebote des Jugendwerks kennenzulernen. Oft machten dies Schulleitungen oder bürokratische Hindernisse schwer, davon dürfe man sich aber nicht entmutigen lassen.
Dem Jugendaustausch mit dem Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasium in Kulmbach ging die Organisation ein Lehreraustauschs voran – und das oftmals in der Freizeit: „Wir haben viele Stunden über die verschiedensten digitalen Kanäle gesprochen, um den Austausch zwischen unseren Gymnasien zu planen“, sagt er. Aber es lohne sich. Einige seiner Schüler seien noch nie außerhalb Griechenlands gewesen, sagt er und deutet auf ein Gruppenfoto des Austauschs, das er mit einer Hoffnung verbindet.„Das, was wir angefangen haben, führen vielleicht unser Schüler weiter.“
Nicht ohne Enthusiasmus und Arbeitskraft
Seine Tipps und Erfahrungen gebe er gern weiter: Nötig seien finanzielle und strategische Partnerschaften, etwa um einzelne Programmpunkte wie etwa einen Tavernenbesuch am Abend sponsern zu lassen. Und: „Es braucht unbedingt ein Projektteam – das war mein Fehler, alles allein zu machen“, berichtet Tokalatsidis. In Griechenland müsse zudem früh die Schulleitung einbezogen werden, um Genehmigungen zu erhalten. Aber das wichtigste bleibe: Enthusiasmus und Arbeitskraft.
Text und Fotos: Lisa Brüßler
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