Odysseus, der Superheld in der griechischen Mythologie, wird zum modernen Flüchtling und mit ihm wird gleich der gesamte Heimatbegriff auf den Kopf gestellt. Die Idee dazu hatten die Altgriechischkurse 9A und 9B von Lehrer Roland Jurgeleit vom Benediktinergymnasium Ettal in Bayern. Herausgekommen ist ein sehenswerter Film, der – auf Altgriechisch mit Untertiteln– einige Male ein Schmunzeln ins Gesicht zaubert.
Mit viel Witz und Leidenschaft für die antike Mythologie und die Feinheiten des Altgriechischen weckt Lehrer Roland Jurgeleit (Foto) vom Benediktinergymnasium Ettal auch bei seinen Schülern die Begeisterung. In seinem Unterricht heißt es nicht mehr nur Verbformen und Grammatik pauken, sondern das Ziel ist es, Autoren wie etwa Platon in ihren Ideen und Anschauungen zu verstehen und sich auch kritisch mit dem antiken Erbe auseinanderzusetzen. Nur so ist es möglich, dass seine Schüler dann auch einige der 12.200 Hexameterverse von Homers Odyssee auswendig lernten und einen eigenen Film drehten.
Odysseus als moderner Flüchtling
„Wir haben das Filmprojekt innerhalb von zwei Monaten geplant und meistens außerhalb des Unterrichts, in unserer Freizeit, umgesetzt, um es für den Bundeswettbewerb Fremdsprachen einzureichen“, erzählt Drehbuchautorin Ann-Sophie. „Die sogenannte Flüchtlingskrise war zum Zeitpunkt des Drehs gerade sehr aktuell, aber wir dachten, die menschlichen Probleme sind allgemeine und treten immer wieder auf“, so Hauptdarsteller Marius. Für den Film musste er in Odysseus’ Rolle aber auch die von Geflüchteten schlüpfen und im Winter in einem eiskalten bayrischen See baden gehen. Andreas, der zum Zeitpunkt des Drehs sogar erst 13 war, kümmerte sich um die Technik und Kameraführung und musste „den bösen Grenzbeamten“, Euryalos spielen.
Je nach Auslegung kann der Odysseus-Mythos verschieden gedeutet werden: „Mal ist der König der Insel Ithaka der Irrfahrer, mal der Abenteurer, oder er ist derjenige, der eigentlich die zehn Jahre nutzt, um nicht zuhause sein zu müssen. Wir dachten, er hat gar kein Zuhause, aber er kommt irgendwann zurück und da haben wir uns gefragt, was Heimat ist“, erklärten die Schüler. Ist Heimat da wo ich geboren bin, wo ich arbeite, wo ich mich wohlfühle oder wo meine Familie ist? Der Text im Film ist nah am Urtext geschrieben und verschiedene Szenen kommen –in ähnlicher Form– auch in der Odyssee vor – aber nicht ohne sie mit zeitgemäßen Elementen wie „Grenzschutz“, der Europäischen Union und der AfD zu verknüpfen.
Heimkommen
Bei der Präsentation auf der Konferenz „es war einmal. Heute. Bilaterale Konferenz Jugend im Fokus der deutsch-griechischen Beziehungen“ gab es viele positive Rückmeldungen zum Film. Kritisch wurde angemerkt, dass die Ursachen, warum Odysseus floh und warum Geflüchtete heute fliehen, differenziert zu betrachten sind. Lehrer Roland Jurgeleit erklärte: „Natürlich ist Odysseus nicht als Flüchtling irgendwohin gekommen, aber er wollte auch nach hause und hat sich gefragt, was es bedeutet wieder heim zu kommen oder eine neue Heimat zu finden.“ Hauptdarsteller Marius ergänzt: „Für mich ist Heimat da, wo meine Familie ist, wo man sich geborgen fühlen kann – bei uns ist Odysseus Familie ja schon in Deutschland. Wir haben ja auch die Alternative für Deutschland (AfD) aufgegriffen im Film, die sagt: ‚Heimat ist da, wo man geboren wurde‘ und das wollten wir nicht in den Film einbringen.“
Viele der Schüler erzählen, dass sie „Heimat“ nach dem Film nicht mehr zwingend örtlich denken – Heimat kann ein Haus, eine Stadt, ein Land oder auch der ganze Planet sein, wie es ein Teilnehmer treffend zusammenfasste.
Der Film (deutsche Untertitel):
Zum Film mit griechischen Untertiteln:
Film: Klassen 9A/B des Benediktinergymnasiums Ettal unter Leitung vom Stv. Direktor Roland Jurgeleit
Fotos: agorayouth
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