Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend treibt den deutsch-griechischen Jugendaustausch durch Fachtage voran. Am 16. November standen Informationen rund um Politische Bildung im Deutsch-Griechischen Jugendaustausch im Fokus. Deutsche und griechische Akteure des Jugendaustauschs aus kulturellen Trägern, Behörden und Kommunen kamen in Bonn zusammen, um Konzepte zu entwickeln, mit denen sich der Austausch realisieren lässt. Und sie sensibilisierten für die Unterschiede zwischen beiden Ländern bei dem Thema. Politische Bildung in Deutschland hat ein anderes Fundament als in Griechenland. Das wurde allen Teilnehmenden klar. 

Politische Bildung im deutsch-griechischen Jugendaustausch

Der Aufbau eines Deutsch-Griechischen Jugendwerkes hat die klaren Ziele, die Beziehung zwischen Deutschland und Griechenland zu rehabilitieren, Jugendlichen Perspektiven aufzuzeigen, sie zu bestärken und eine Annäherung zwischen beiden Ländern zu fördern. Im Zuge der Staatsschuldenkrise verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Deutschland und Griechenland enorm. Seit nunmehr zwei Jahren arbeiten daher zahlreiche Institutionen an Austauschprojekten. Dazu nutzen die deutschen Partner häufig Angebote und Methoden der Politischen Bildung. Das ist in Griechenland anders, wie der Fachtag „Politische Bildung im Deutsch-Griechischen Jugendaustausch“ am 16. November 2016 in Bonn zeigte.

Babis Karpouchtsis von polisis.eu

Babis Karpouchtsis vom Berliner Büro für Analyse und Politikberatung polisis.eu erklärt die Strukturen Politischer Bildung in Griechenland.

Um die Freundschaft zwischen Deutschen und Griechen wieder aufleben zu lassen, muss ein Fundament aus Wissen und Verständnis geschaffen werden. Was wissen die Jugendlichen über das andere Land? Wie funktioniert politische Bildung in Deutschland und in Griechenland? Während hierzulande etliche Stiftungen und Initiativen Bildung einer breiten Masse zugänglich machen, liege diese Aufgabe in Griechenland in der Hand des Staates, erklärt Babis Karpouchtsis vom Berliner Büro für Analyse und Politikberatung polisis.eu. in seinem Vortrag. In Deutschland hat sich die politische Bildungspolitik vor allem aus der Reflexion des zweiten Weltkrieges entwickelt. Durch das breit gefächerte Angebot erscheint politische Bildung hier als eine Selbstverständlichkeit, von der jeder profitieren kann. In Griechenland gibt es politische Bildung als Unterrichtsfach, das einmal wöchentlich unterrichtet wird. Zudem bieten einige Parteien Bildungsangebote, die allerdings lediglich für deren Mitglieder vorgesehen sind. Doch die Situation bessert sich. Babis Karpouchtsis berichtet von dem „Park der nationalen Versöhnung“, der sich im Grammos-Gebirge nahe der albanischen Grenze befindet. Wo 1949 noch der letzte Kampf des griechischen Bürgerkrieges stattgefunden hat, befindet sich heute eine Bildungseinrichtung mit Museum und Unterkünften, die von der Stiftung des griechischen Parlaments eingerichtet wurden.

Einen Vorgeschmack auf einen erfolgreichen Austausch zwischen deutschen und griechischen Jugendlichen konnte Katharina Wuropulos von Youth for Peace geben: Sie organisierte Austausche in das Opferdorf Lechovo, das während der deutschen Besatzung von Soldaten der Wehrmacht niedergebrannt wurde. Weil Deutsche hier großen Schaden angerichtet haben, waren sich die deutschen Jugendlichen nicht ganz sicher, ob die Griechen sie überhaupt empfangen wollten. Doch die griechischen Jugendlichen und ihre Eltern empfingen die jungen Menschen warmherzig und nahmen sie bei sich zu Hause auf. „Die Deutschen waren teilweise sehr überrascht, dass die griechischen Jugendlichen keinerlei Vorurteile hatten“, berichtet Katharina Wuropulos. In dem Projekt ging es vor allem darum, die gemeinsame Vergangenheit in Erinnerung zu behalten, die Wiederkehr von derartigen Verbrechen zu verhindern und gemeinsam in die Zukunft zu blicken.

Georg Pirker, Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e.V. (AdB)Nach den beiden Fachvorträgen wurde in Workshops über Themen wie Integration, Migration, Flucht, Active Citizenship, Solidarität und darüber diskutiert, wie man das Jugendwerk finanzieren kann. Klar ist, dass Griechenland in seiner derzeitigen Lage nicht 50 Prozent der Finanzierung übernehmen kann. Deshalb muss man besonders sensibel vorgehen, damit trotzdem ein Austausch auf Augenhöhe entsteht und sich niemand benachteiligt fühlt. „Klar ist auch, dass ein Jugendwerk nicht die finanzielle Lage der Griechen verbessern kann“, fasst Georg Pirker vom Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e.V. (AdB) zusammen. Über den Mehrwert des Projekts sind sich aber alle Beteiligten einig: Durch den Austausch werden Jugendliche in ihrer Entwicklung zu selbstbestimmten, demokratisch handelnden Bürgern bestärkt. Sie lernen sich selbst als Akteure wahrzunehmen, die Einfluss auf die politische Situation nehmen können. Die Erinnerungsarbeit sensibilisiert sie für den kritischen Umgang mit Themen wie Rassismus und Populismus und bietet ihnen neue Möglichkeiten mit Krisen umzugehen.

Der Fachtag Politisch Bildung und seine TeilnehmendenBevor der erste Austausch im Rahmen eines deutsch-griechischen Jugendwerks stattfinden kann, werden noch viele Gedanken und konkretes Handeln nötig sein, deshalb lädt Albert Klein-Reinhardt (BFSFJ) zum zweiten Treffen des deutsch-griechischen Jugendforums, das vom 5. bis 8. März 2017 in Thessaloniki stattfinden wird.

Text: agorayouth

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz. Text: Alida Ott, Bilder: Christian Herrmann (IJAB)

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