Von Berlin nach Kreta: Carleen Rehlinger entschied sich für einen Freiwilligendienst auf der beliebten Ferieninsel, der auf den ersten Blick thematisch nicht zum immer sonnigen Image der Ägäis-Insel passt: Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seine Auswirkungen auf die jüdischen Gemeinden der Insel. In Teil Zwei der Serie schreibt die 19-Jährige über ihre Arbeit in der Etz Hayyim Synagoge in der zweitgrößten kretischen Stadt Chania.

Im ersten Beitrag dieser kleinen Serie habe ich bereits einen Bereich meiner Arbeit in der Etz Hayyim Synagoge in Chania auf Kreta angesprochen: die Teilnahme an und Vorbereitung jüdischer Feiertage und Community-Events. Shabbat ist aber nur einmal in der Woche und besondere Festivitäten sind auch nicht jeden Tag. Deswegen möchte ich heute darüber schreiben, wie mein Alltag aussieht.

Ich starte meist ganz entspannt in den Tag beim gemeinsamen Staff-Meeting und genieße so lange wie möglich die morgendliche Ruhe. Diese hält aber meistens nur kurz an, denn in den Sommermonaten kommen durchgängig Tourist*innen zu uns, um die Synagoge zu sehen. Natürlich gibt es auch andere Besucher*innen – gerade zu Beginn des Jahres hießen wir zum Beispiel viele Schulklassen willkommen. Mittlerweile besteht ein Großteil meiner Arbeit darin, Touristen herumzuführen. Ihnen erzähle ich etwas über die Geschichte von Etz Hayyim und die der jüdischen Gemeinde Kretas. In diese Thematik möchte ich heute ebenfalls einen Einblick geben.

Ausflug in die Geschichte
Die ersten Menschen jüdischen Glaubens kamen spätestens im dritten oder vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung nach Kreta. In dieser Zeit entwickelte sich auch die Tradition Griechisch sprechender Juden*Jüdinnen, die man heute romaniotische Tradition nennt. Das Gebäude von Etz Hayyim, ursprünglich im 15. Jahrhundert unter venezianischer Herrschaft als katholische Kirche errichtet, wurde im 17. Jahrhundert zu einer Synagoge. 

1941 ist Kreta von der Wehrmacht besetzt worden. Im Mai 1944 verhafteten deutsche Besatzungstruppen die jüdische Bevölkerung. Nach einigen Tagen in unmenschlicher Gefangenschaft sollten die Juden*Jüdinnen gemeinsam mit italienischen Kriegsgefangenen und griechischen Widerstandskämpfer*innen mit einem Schiff auf das Festland gebracht werden, um von dort aus deportiert zu werden. Dieses wurde jedoch von einem britischen U-Boot versenkt. Das bedeutete praktisch das Ende der jüdischen Gemeinde Kretas, da die Zahl derer, die durch vorherige Flucht oder in einem Versteck überlebten, nur sehr wenige Menschen umfasste. Die Etz Hayyim Synagoge wurde der Plünderung freigegeben und blieb als verfallenes Gebäude zurück.

Die Synagoge wird wieder aufgebaut
Erst in den 1990er Jahren wurde das Gebäude mit Hilfe von ausländischen Sponsoren restauriert. 1999 wurde es neu geweiht und ist heute für Besucher*innen aller Art geöffnet. Obwohl ich mittlerweile täglich Führungen gebe, freue ich mich jedes Mal über interessierte Besucher*innen. Oft lerne ich dabei auch noch Neues über die Synagoge dazu, das ich in meine Touren einbauen kann. In meinem Freiwilligendienst fallen aber auch noch andere Aufgaben an, die von Postkarten einsortieren bis zu Poster designen reichen können. Neben den notwendigen Arbeiten, die erledigt werden müssen, wird mir in der Synagoge auch viel eigener Gestaltungsspielraum eingeräumt. So konnte ich zum Beispiel viel Zeit damit verbringen, mich in WordPress einzuarbeiten, um in meiner verbleibenden Zeit unsere Website noch ein wenig umzustrukturieren. Damit muss ich mich definitiv beeilen, denn meine letzten Wochen dieses sehr ereignisreichen Jahres sind bereits angebrochen…

Im dritten Teil der Serie nach Abschluss des Freiwilligendienstes reflektiert Carleens über ihre Zeit auf Kreta und die Rückkehr nach Deutschland. In Teil Eins hat sich die Autorin mit ihrem Ankommen und den ersten Eindrücken befasst.

Text und Fotos: Carleen Rehlinger
Redaktion: Lisa Brüßler

2 Gedanken zu “Freiwilligendienst auf Kreta: Meine Arbeit in der Etz Hayyim Synagoge (Teil 2)

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