Ein Haus für alle

Die letzten Stunde vor der Abreise gingen die Jugendlichen auf Zeitreise durch die vergangenen Jahrzehnte. Im Leipziger Mehrgenerationenhaus „Haus Steinstraße“ sprachen sie mit Bereichsleiter Michael Rausch darüber, wie Jugendarbeit auch ohne Unterstützung durch den Staat funktionieren kann.

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11 Räume auf fünf Etagen – von der offenen Keramikwerkstatt im Hof des Hauses, über den Tanzsaal und das Jugendcafé Yellow mit Spielzimmer und Computerecke bietet das sozio-kulturelle Zentrum Haus Steinstraße sowohl für Kinder, als auch Jugendliche, Erwachsene, Senioren und Familien etwas an. In der zweiten Etage befinden sich ein Atelier und die Werkstatt des Bleilaus Kinder- und Jugendverlags, die dritte Etage gehört dem DachKino, der Medienwerkstatt und einem Musikzimmer. Noch eine Etage höher ist der Theatersaal. Die Idee: Jeder ist willkommen, jeder kann sich hier mit seinen Ideen einbringen.

Das alte Haus Steinstraße, eine denkmalgeschützte Villa, wurde 1907 von einer Burschenschaft gebaut und von Studenten bewohnt. Nach dem Krieg wurde das Haus zu einer Volksküche mit Wohnhaus. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich das heutige Mehrgenerationenhaus zu einem kulturellen Zentrum und wurde als Jugendclub genutzt. Zuletzt war das Haus zwischen 1996 und 1997 baulich erneuert worden – mehr als 100 Stufen mussten die Jugendlichen damals noch erklimmen, um ins Dachgeschoss des Gebäudes zu gelangen. 

Starke Prinzipien
„Hilf mir, es selbst zu tun“ – diesen Leitsatz der Pädagogin Maria Montessori nennt Bereichsleiter Michael Rausch, als er über die Grundsätze der Jugendarbeit in der Steinstraße spricht. Dem Team ist es wichtig, dass alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen ihren eigenen Weg gehen, dafür wollen sie mit kulturpädagogischen Angeboten den Rahmen schaffen.  Mit seinen Angeboten setzt sich das Haus verstärkt für ein Miteinander der Generationen ein: „Man muss die Vielfalt akzeptieren und als Chance und Bereicherung sehen“, sagt Rausch. Einer lerne vom anderen, die Generationen kämen gut miteinander aus.

Die Griechen zeigten sich bei der Führung durch das Haus beeindruckt: „Eine solche Infrastruktur haben wir leider gar nicht“, meldete sich ein Jugendlicher vom Jugendparlament in Thessaloniki zu Wort. In Deutschland gebe es zudem reale Gespräche mit Entscheidungsträgern. In Griechenland laufe dies meist über Simulationen. „Wir müssen kämpfen“, motivierte ein anderer griechischer Jugendlicher. Er habe erkannt, dass man nicht von der automatischen Unterstützung durch den griechischen Staat ausgehen könne. Michael Rausch bestärkte die jungen Griechen: „Manche Teile der Gesellschaft bewegen sich nicht freiwillig, da muss man dann etwas schieben“, sagte er.

Was ist ein Mehrgenerationenhaus?
Mehr als 1.000 Initiativen haben sich am Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beworben. Das Haus Steinstraße wurde dabei als Mehrgenerationenhaus für die Stadt Leipzig ausgesucht. Die Häuser sollen Strukturen für ein neues Miteinander für Alt und Jung schaffen und starke Netzwerke zugunsten des Wissenstransfers und Gewinnung von Kompetenzen und Synergie-Effekten bilden. In Leipzig findet das meist über Kurse und Workshops in den Bereichen Keramik, Bildende Kunst, Theater, Tanz, Neue Medien, Politische Bildung, Musik oder auch Holzbau statt. Die Idee lautet: Die Älteren haben Zeit, Wissen und mitunter auch Geld, die Jugendlichen Kraft und Ideen, Kinder lehren uns die Welt staunend neu zu entdecken. Alle brauchen gemeinsam verbrachte Zeit, Räume und Anlässe um das positive Gefühl zu entwickeln.

Text und Fotos: Luca Samlidis

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