Das deutsch-griechische Verhältnis ist auf einem Weg der Besserung, aber es gibt noch viel zu tun. Bei einem Fachkräfteaustausch zwischen dem Bonner Verein für Jugendförderung und dem griechischen Verein Filoxenia in Kryoneri wurde ein Jugendaustausch im Herbst mit dem Schwerpunkt Europa vorbereitet.

Der Fachkräfteaustausch vom 15. bis 21. Mai zwischen dem Bonner Verein für Jugendförderung und dem griechischen Verein Filoxenia diente vor allem der Vorbereitung: Unter dem Themenschwerpunkt „Europa“ soll an der Außenwand des Kulturzentrums in Kryoneri von Jugendlichen aus Deutschland und Griechenland gemeinsam ein Mosaik gestaltet werden. Die Verbindung von Kunst, Kultur, Natur und aktuellen Themen soll die Jugendlichen beider Länder auf vielen Ebenen zusammenbringen und der erste Schritt für zukünftige Zusammenarbeit sein. Auch eine Rückbegegnung in Bonn sowie ein weiterer Fachkräfteaustausch sind geplant.

Krise? Nicht in der Kulturlandschaft Kryoneris
„Das Wort ‚Krise‘ habe ich noch nie so oft gehört wie hier“, sagt Martin Hermann, Vorsitzender von Lucky e.V. und Mitglied des Bonner Vereins für Jugendförderung der neben der lokalen Arbeit und die internationale Jugendarbeit unterstützt. Gemeinsam mit Panos Poulos vom griechischen Partnerverein Filoxenia, zu Deutsch „Freundschaft zu Fremden“ arbeitet Hermann an daran, eine langfristige Kooperation zu etablieren. Poulos erklärt den Fachkräften: „Für Jugendarbeit, wie sie in Deutschland stattfindet, ist in Griechenland kein Geld da. Trotzdem leisten die Kultur- und Sportvereine unglaublich viel, auch wenn die hohe Jugendarbeitslosigkeit hier ein sehr großes Problem ist“. Obwohl die Jugendarbeit gesellschaftlich einen hohen Stellenwert hat, sind von Seiten der Regierung keine zuverlässigen Strukturen vorhanden und mit jedem Regierungswechsel werden alle vorherigen Bemühungen zur Etablierung eines nachhaltigen Systems aufgehoben. Diese Diskontinuität und die mangelnde Anerkennung des Staates für die Arbeit freier Träger und Vereine sei frustrierend für viele Mitarbeiter in der Jugendhilfe. Viele Organisationen, die Jugendarbeit leisten, können nur überleben, weil europäische Mittel, wie das Erasmus+ Programm Projekte mitfinanzieren

Panos Poulos ist im Ort und darüber hinaus sehr gut vernetzt. In den 1980er Jahren hat er in Berlin Politologie studiert und als Jugendberater gearbeitet. Durch Filoxenia wurden besonders in Kryoneri auch schon unzählige bi- und multilaterale Jugendbegegnungen auf europäischer Ebene organisiert – die Wichtigkeit, die dem interkulturellen Austausch zugemessen wird, ist hier unverkennbar.

Abdou Diatta, Kulturpädagoge und Mitarbeiter bei Lucky Luke e.V., ist begeistert von den vielen Kunstwerken in Kryoneri, die unter Anleitung von Filoxenias Kunstpädagogin Hana Sebestova entstanden sind. Bei einem Besuch im Kindergarten, der Grundschule und der weiterführenden Schule merkt man sofort, welche Bedeutung die Arbeit der vielen Freiwilligen hat, die über die Jahre hinweg nach Kryoneri gekommen sind und vor allem die Bildungsstätten künstlerisch gestaltet und verschönert haben. „Ich freue mich sehr, bei dem Kunstprojekt im Herbst dabei zu sein“, so Abdou Diatta. Er kommt aus dem Senegal und hat einen reichen Erfahrungsschatz in interkultureller Jugendarbeit. „Die Kunst öffnet die Tore für die Auseinandersetzung mit anderen und sich selbst. Sie ist oft Teamarbeit und auch das geplante Mosaik ist so angelegt“.

Erinnerung und heute

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Gespräch der Gruppe mit Giorgos Lazouras, dem Bürgermeister Kalavrytas (ganz rechts).

Besonders bewegend war der Besuch in der Kleinstadt Kalavryta. Hier wurden im Dezember 1943 fast alle Männer des Dorfes von deutschen Wehrmachtssoldaten erschossen. Die Frauen und Kinder konnten sich im letzten Moment aus der angezündeten Schule retten, in die sie eingesperrt worden waren. Ein Besuch bei den beiden Gedenkstätten, dem Mahnmal am Exekutionsplatz und der ehemaligen Grundschule, die zu einem Museum umfunktioniert wurde, sowie ein Gespräch mit dem Bürgermeister Kalavrytas, Giorgos Lazouras, zeigten, welche Rolle die Vergangenheit des Dorfes bis heute spielt und wie wichtig es ist, die Erinnerungskultur zeitgemäß auch in die Jugendarbeit einzubinden. Lazouras erzählte von einem von ihm initiierten Projekt zwischen der Universität in Patras und der Universität in Biberach bei dem Architekturstudenten beider Länder Entwürfe zur architektonischen Einbindung der Gedenkstätten in die Stadt erarbeiteten.

Markus Schnapka, ehemaliger Sozialdezernent der Stadt Bornheim und Mitglied von Lucky Luke, bringt seine Erfahrung mit dem Projekt „Rosen für Lidice“ in Tschechien ein. „Erinnerungskultur“, so Markus Schnapka, „schärft den Blick für die Gegenwart. Immer weniger Zeitzeugen können aus eigener Erfahrung berichten, was sie im zweiten Weltkrieg, im Holocaust oder bei ihrer Flucht erlebten. Aber die Erinnerung bleibt lebendig, wenn wir die Verbindung zu uns heute schaffen. Daher ist es gut, wenn bei Austauschmaßnahmen etwas ganz praktisch hergestellt oder entwickelt wird, was für die jeweilige Gastgebernation einen aktuellen und bleibenden Wert hat.“

Doch was wird aus den Visionen?
„Es ist sehr erfreulich, dass die Bundesregierung Sondermittel für Jugendbegegnungen mit Griechenland zur Verfügung gestellt hat. Da die Träger in Griechenland in der Regel keine sonstigen Zuschüsse bekommen, sind die Mittel seitens des Ministeriums recht knapp bemessen. Die meisten griechischen und deutschen Organisationen, die im Deutsch- Griechischen Jugendaustausch tätig sind, wünschen sich ein Jugendwerk, damit die Begegnungen dauerhaft und zuverlässig stattfinden können.

Der griechische Begriff „Kairos“, der in der Mythologie als Gottheit personifiziert wurde, bedeutet den günstigen Zeitpunkt einer Entscheidung, nicht verstreichen zu lassen. Bleibt zu hoffen, dass es bald ein „Kairos“ in den deutsch-griechischen Beziehungen geben wird, sodass das Jugendwerk an den Start gehen kann.

Persönliche Eindrücke
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Zu jeder denkbaren Möglichkeiten wurde sich ausgetauscht und diskutiert. Beim anstehenden Jugendaustausch soll dieser Funke überspringen und weitergetragen werden- auch um die europäische Idee zu stärken.

Mit Interrail ohne Grenzen quer durch Europa reisen, Freunde auf der ganzen Welt kennen, an Austauschen teilnehmen: Die Reise nach Griechenland hat mir eindrucksvoll bewiesen, wie hart dafür gekämpft wird, dass meiner Generation und den folgenden diese Türen offen stehen.

Es ist beeindruckend zu sehen, wie viel man auch ohne viel Geld mit Zeit und Engagement auf die Beine stellen kann. Das Dorf Kryoneri mit weniger als 1000 Einwohnern hat ein Jugendzentrum im Stadtkern errichtet und verfügt über ein Kulturzentrum, das für verschiedene Veranstaltungen genutzt wird. Dieses wird gemeinsam von verschiedenen Vereinen und Organisationen verwaltet, sodass möglichst viele Dorfbewohner davon profitieren. Auch die Schulen selbst sind sehr aktiv: Die Elternvertreter sowie die engagierten Schulleiter und Lehrer haben schon einige Projekte ohne viele finanziellen Mitteln umsetzen können: Beispielsweise hat die Sekundarschule nur durch Zeit und Arbeit einen Theaterraum errichtet. Die enge Kooperation zwischen verschiedenen Instanzen in Kryoneri und Umgebung sowie der leidenschaftliche Einsatz für die Jugend auf kommunaler und regionaler Ebene ist besonders in Griechenland wichtig, dass über kein mit Deutschland vergleichbares staatliches Jugendhilfesystem verfügt.

Text und Bilder: Felina Lottner

Mehr zu den Anfängen der Kooperation auf dem Blog: https://wordpress.com/post/agorayouth.com/2435

Anmerkung der Redaktion: Am 20. Juni ist zum Fachkräfteaustausch ein Artikel von Nicole Göbel im Bonner Generalanzeiger erschienen (siehe Foto).

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Ein Gedanke zu “Fachkräfteaustausch: Auf dem Weg zum Mosaik

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