Deutschlehrerin Christina Preftitsi ist zwischen Lüdenscheid und Thessaloniki groß geworden und trägt beide Länder und Sprachen in sich. Mit einem Stipendium des Pädagogischen Austauschdienstes (PAD) arbeitete sie für ein Jahr an einer Gesamtschule in Krefeld. Agorayouth hat sie erzählt, wie ihre Schüler in Thessaloniki täglich davon profitieren – und warum es bei ihrer Einschulung keine Schultüte gab.
Agorayouth: Christina, du bist zwischen Deutschland und Griechenland aufgewachsen. Seit einiger Zeit bist du Deutschlehrerin an der Deutschen Schule in Thessaloniki. Wie kam es dazu?
Christina Preftitsi: Ich wurde in Thessaloniki geboren und bin als ich sechs Jahre alt war mit meiner Familie nach Deutschland gezogen. Meine Eltern haben damals als Lehrer an einer griechischen Schule in Lüdenscheid gearbeitet und ich wurde ganz normal in einer deutschen Grundschule eingeschult – ohne ein einziges Wort Deutsch zu können. Ich erinnere mich noch wie heute an meine Einschulungsfeier, denn ich hatte leider keine Schultüte, weil wir nichts davon wussten! Meine Mama hat mir erzählt, dass ich anfangs immer Bauchschmerzen hatte und nicht zur Schule wollte. Ich kann mich kaum an die Zeit erinnern, aber ich weiß noch, dass ich eines Tages Deutsch sprechen konnte.
Agorayouth: Was hast du für Erinnerungen an dein Aufwachsen?
In Deutschland habe ich eine sehr schöne Kindheit verbracht: ich erinnere mich an die Schule, an Freunde, das Querflötespielen, Geräteturnen und viel Freizeit. Das ist in Griechenland anders, weil man in der Schule viel starker unter Druck steht und oft wenig Freizeit am Nachmittag übrig bleibt. Nach zwei Jahren am Gymnasium musste ich mit meinen Eltern wieder zurück nach Griechenland. Dieser Umzug war sehr enttäuschend für mich, weil ich meine Freunde und mein Zuhause verlassen musste. In Griechenland hatte ich weder Freunde noch Verwandte. Getröstet hat mich, dass ich in Thessaloniki die Deutsche Schule besuchen konnte. Griechisch hatte ich in Deutschland nämlich nur mit meinen Eltern gesprochen und zweimal pro Woche in der griechischen Schule. Der Umzug nach Griechenland war also sowohl eine örtliche als auch eine sprachliche Umstellung für mich. Ich bin so irgendwie zwischen zwei Kulturen aufgewachsen.
Agorayouth: Und dann hast du in Thessaloniki Deutsche Philologie studiert und immer wieder Möglichkeiten gefunden zurück nach Deutschland zu gehen?
Genau! Ich habe sowohl das deutsche Abitur, die Ergänzungsprüfung, als auch das griechische Abitur gemacht. Kurz vor dem Abi ist mir bewusst geworden, dass ich zwar in Griechenland studieren will, aber trotzdem nicht die deutsche Sprache „verlieren“ möchte, weil sie ein Stück von mir geworden ist. Deswegen habe ich an der Aristoteles-Universität in Thessaloniki Germanistik und Philologie studiert. Während des Studiums konnte ich mit einem DAAD-Stipendium einen Ferienkurs für Deutschlehrer in Heidelberg besuchen und ein Erasmussemester in Germersheim machen, am Fachbereich Translations,- Sprach,- und Kulturwissenschaft der Universität Mainz. Dort habe ich die traumhafte Welt der Übersetzung entdeckt, was später der Schwerpunkt meines Masterstudiums wurde.
Agorayouth: Und wie verlief dann dein Berufseinstieg?
Direkt nach Abschluss meines Masterstudiums fing ich an in der Deutschen Schule in Thessaloniki als Deutschlehrerin zu arbeiten. Darüber habe ich von den Fortbildungsangeboten für Ortslehrkräfte an Deutschen Auslandsschulen des Pädagogischen Austauschdienstes erfahren. Die Möglichkeit, für ein Jahr an einer Schule in Deutschland zu arbeiten hat mich sofort begeistert und meine Schule hat diesen Austausch sehr unterstützt.
Agorayouth: Und wo wurdest du eingesetzt? Was waren deine ersten Eindrücke?
Ich bin in Nordrhein-Westfalen, in Krefeld eingesetzt worden. Obwohl ich in derselben Ecke aufgewachsen bin, kannte ich Krefeld nicht und ich fand die Stadt sehr schön. Es gibt so viel Grün, auch weil sie dünn besiedelt und ruhig ist. An der Schule wurde ich sehr herzlich aufgenommen und habe mich sofort wohlgefühlt. Die Kollegen waren sehr hilfsbereit und offen und haben mich sehr unterstützt.
Agorayouth: Hast du in der Zeit etwas gelernt, was Schüler aus beiden Ländern voneinander lernen können?
Deutsche Schüler sind insgesamt viel disziplinierter als griechische Schüler. Griechische Schüler sind temperamentvoller, wie wir an der Deutschen Schule in Thessaloniki sagen. Aber das hat glaube ich mit der Erziehung insgesamt zu tun. In Griechenland ist alles ein bisschen “lauter”. Griechische Schüler sind aber auch organisierter und werden von klein auf darauf getrimmt viel zu lernen, was mir manchmal bei den deutschen Schülern gefehlt hat – die Wissbegierde und die entsprechende Konzentration.
Agorayouth: Konntest du methodisch etwas aus deiner Zeit in Krefeld mitnehmen. Machst du jetzt etwas anders in deinem Unterricht?

Spaß bei einer PAD-Fortbildung.
In Griechenland ist das Studium für die Lehrer anders aufgebaut als in Deutschland. Es gibt kein solches Lehramtsstudium. Man studiert einfach das Fach, das man unterrichten möchte. Deswegen unterrichten auch die meisten Lehrer in Griechenland nur ein Fach. Außerdem ist keine Referandariatszeit vorgesehen. Es “fehlt” also die Vorbereitung für den Einstieg in den Beruf. Ich hatte das Glück, in meinen Studienjahren viele Didaktik- und Pädagogikseminare besuchen zu können, weil es bei uns Pflichtveranstaltungen waren. Als junge Lehrerin habe ich also während des Fortbildungsjahres viel Erfahrung sammeln können, weil ich in allen Klassen hospitiert habe. Ich hatte dadurch die Gelegenheit, über zehn Lehrer für einen längeren Zeitraum zu beobachten und von ihnen zu lernen. Das betraf sowohl kleinere, alltägliche Dinge als auch Fachliches und dessen Vermittlung. Außerdem konnte ich während meines Aufenthaltes in Krefeld das Fachseminar Deutsch im Zentrum für schulische Lehrerausbildung (ZfsL) besuchen.
Agorayouth: Christina, hast du schonmal etwas von dem sich in der Entstehung befindenden Deutsch-Griechischen Jugendwerk gehört?
Nein, bis jetzt noch nicht. Aber ich glaube fest daran, dass der gegenseitige Kontakt, die Kommunikation und der Austausch auf Augenhöhe sehr gewinnbringend für die Jugendlichen sein können!
Mehr Informationen zum Weiterbildungsprogramm des PAD gibt es hier.
Fotos: Christina Preftitsi
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