Es ist nicht schwer in München auf griechische Spurensuche zu gehen: Bei einem Spaziergang durch die Stadt fanden die Teilnehmenden der Konferenz fast an jeder Ecke der Innenstadt Spuren des hellenistischen Erbes. Auch die Exkursion in das NS-Dokumentationszentrum München brachte Unbekanntes hervor.
Nicht umsonst wird München auch das „Isar-Athen“ genannt: Die erste Station am Münchner Königsplatz in der Maxvorstadt zeigte der 30-köpfigen Teilnehmergruppe des Stadtspaziergangs wieviel von Griechenland in München steckt – und wem die Stadt das zu verdanken hat.
Spaziergang durch das Isar-Athen
Ludwig I. war als König Bayerns ein großer Verehrer des antiken Griechenlands. Nach Vorbildern der Antike schufen seine Hofarchitekten Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner klassizistische Museen, Straßen, Plätze und Kirchen. Auf dem Königsplatz finden sich die mit ionischen Säulen ausgestattete Glyptothek, die bereits im Jahr 1830 – fünf Jahre nachdem der Philhellene auf den Thron gekommen war – eröffnet wurde. Sie beheimatet vor allem die Original-Giebelskulpturen des Aphaiatempels von der griechischen Insel Ägina, erklärte Maria Lianou vom Institut für Byzantinistik und Neogräzistik der LMU und sorgte für ein Schmunzeln bei den griechischen Teilnehmenden, als sie erzählte, dass die Bayern das Wort „Glyptothek“ anfangs nicht aussprechen konnten.
Gleich gegenüber steht die Staatliche Antikensammlung, die 1848 eröffnet wurde und im korinthischen Stil gebaut ist. Sie ist eine der größten Sammlungen (kleinerer) griechischer, etruskischer und römischer Kunstobjekte in Deutschland.
Als wenn das nicht schon genug wäre, befinden sich direkt hinter uns die Propyläen, die als westliches Stadttor geplant waren und zum Schloss Nymphenburg führten. Durch das rasche Bevölkerungswachstum in der Stadt war das Tor aber nicht mehr am Stadtrand gelegen.
Die dorischen Säulen des Bauwerks vervollständigen das Konzept des Architekten Leo von Klenze, der alle drei Baustile auf einem Platz zeigen wollte. Insbesondere die Propyläen sind ein Symbol für die Freundschaft zwischen Griechenland und Bayern und ein Denkmal für den Freiheitskampf Griechenland (1821-1829), erkennbar auch daran, dass an den Wänden der Durchfahrt die Namen griechischer Freiheitskämpfer eingraviert sind, erklärte Stadtführerin Lianou. In unserem Rücken liegt der Obelisk an der Brienner Straße und das NS-Dokuemntationszentrum. „Der Königsplatz wurde auch von den Nazis für ihre Aufmärsche genutzt – damals war er nicht begrünt sondern betoniert“, erzählte Lianou. Erst 1985 wurde er wieder zur Grünfläche.
Im weiteren Verlauf ging es in den Hofgarten am Odeonsplatz und dann durch die Münchener Altstadt in die griechisch-orthodoxe Salvatorkirche, die Ludwig 1828 den griechisch-orthodoxen Christen überließ. Sie die drittälteste in München.
Exkursion ins NS-Dokumentationszentrum München
Man könnte es eine spannende architektionische Mischung nennen, die sich da im Herzen von München, ganz nah am beliebten Königsplatz präsentiert. Aber der helle Beton- und Glaswürfel neben der alten Villa, das sind die ehemaligen Herzen der „Bewegung“: Hier hat Adolf Hitler das bayerische Zentrum seines NS-Staates angelegt. „Was für gläubige Muslime Mekka ist, soll für treue Nationalsozialisten München sein“, hat der Führer des Dritten Reiches gesagt. Und nun stehen zwei unserer Exkursionsgruppen hier im lichtdurchfluteten Betonkubus, auf dessen Gelände dereinst „das braune Haus“ stand.
Es werden zwei schwere und doch unglaublich interessante Stunden für die Teilnehmenden. Gerade haben wir gelernt, dass draußen vor der Tür alle wichtigen Schaltzentralen der NS-Diktatur eine Niederlassung hatten. Dort sind noch die Reste der Denkmale für die 16 „Blutzeugen“ zu sehen, jener Männer, die beim Hitler-Putsch 1923 ihr Leben gelassen haben. Und damit sind wir auch schon mitten in der Geschichte des Mannes und seiner Partei, die am Ende Europa in Schutt und Asche gelegt, sechs Millionen Juden, unzählige Homosexuelle und Zigeuner sowie politische Gegner und Millionen Menschen in den Tod gerissen hat. Wir lernen, dass der begnadete Redner seine Karriere eigentlich schon nach dem Putsch 1923 hätte beendet haben müssen – im Kerker verrottend. Aber sympathisierende Richter und eine eher an einen Kuraufenthalt erinnernde neunmonatige Gefängniszeit später war der Mann zurück auf der Bühne. Umgarnte Industrielle und eine breite Öffentlichkeit, erklärte, warum der Antisemitismus salonfähig werden darf und nutzte die Weltwirtschaftskrise, um 1933 die Wahl ganz legal zu gewinnen. Danach war nichts mehr legal, alles ging zu Bruch, Europa wurde mit Krieg überzogen.
Viele Details sind unseren griechische Gästen in dieser Intensität nicht bekannt, wie wir sie hier eindrucksvoll geschildert und anhand von Fotos und Zeugnis sehen. Wir werden einbezogen, dürfen diskutieren und sehen bei aller Düsternis doch auch die wenigen Lichtblicke von Widerstandsgruppen und Führer-Attentätern wie etwa Georg Elser.
Schade, dass die Ausstellung so wenig bzw. gar nicht auf die Gräuel der Wehrmacht in Griechenland eingeht. Nur eine einzige Schautafel zeigt die systematische Erschießung von Dorfbewohnern in Slowenien – stellvertretend für die unzähligen Morde durch Polizei, SS und Sondereinsatzgruppen, die auch in Griechenland so unglaubliches Leid angerichtet haben.
Aber als Einblick für die Fachkräfte und Multiplikatoren, die sich ja in vielen ihrer Austauschprogramme mit der Erinnerungsarbeit beschäftigen, ist die Exkursion ins NS-Dokumentationszentrum München ein wichtiger und lebendiger Bestandteil der Konferenz.
Text und Fotos: Lisa Brüßler und Jörg Wild
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