Erst im September 2017 war eine Gruppe Jugendlicher aus Kleve zu Gast im kretischen Viannos gewesen – Anfang Mai 2018 stand bereits der Gegenbesuch in Nordrhein-Westfalen an. Bereits seit sieben Jahren findet der Austausch zwischen dem Theodor Brauer Haus (TBH) in Kleve und der Gemeinde Viannos auf Kreta statt – eine Erfolgsgeschichte, die eng mit Lehrer Philipp Hartwig verknüpft ist.

Philipp Hartwig ist selbst ein Kretaliebhaber – ohne ihn und seine Inselliebe würde das Austauschprojekt sicher nicht im siebten Jahr stattfinden. Der gelernte Tischler ist seit 1994 als Ausbilder im Theodor-Brauer-Haus in Kleve tätig. Dort betreut er benachteiligte Jugendliche, die an einer einjährigen Maßnahme teilnehmen. „Früher waren es meist Auszubildende, die mit uns nach Kreta gefahren sind. Jetzt sind es Jugendliche aus der Maßnahme, da ist es schwieriger so einen Aufenthalt einzuplanen“, erzählt Hartwig. Für viele der Jugendlichen ist die Reise nach Kreta das erste Mal im Ausland: „So ein Austausch ist natürlich etwas, worüber viele noch Wochen oder Jahre später sprechen“.

Vom 29. April bis 07. Mai 2018 war nun eine kretische Gruppe von zehn Jugendlichen zu Gast in Kleve. Unter dem Motto „Jugend gestaltet Zukunft – Η νεολαία διαμορφώνει το μέλλον“ wurden Ausflüge ins nahe Nimwegen in Holland, in den archäologischen Park nach Xanten und nach Köln und Bonn unternommen. Ein gemeinsames Grillfest mit kulinarischen Spezialitäten aus beiden Ländern stand auf dem Programm und bei einer Draisinenfahrt wurde es sportlich. Die kretischen Jugendlichen sind bereits aus der Schule raus, haben studiert und arbeiten oft im elterlichen Geschäft oder Betrieb mit.

Steiniger Weg
Seit 2016 ist das Theodor-Brauer-Haus alleiniger Projektpartner in Viannos. Auf institutioneller Ebene Projektpartner vor Ort zu gewinnen, ist ein Kampf für Hartwig: Bei der Universität in Heraklion am Bereich Sozialpädagogik hat er es bereits versucht, in der Berufsfachschule Ierapetra, beim Deutsch-Griechischen Elternverein, in der Berufsfachschule für Touristik und auch beim Lyzeum in Viannos – alles erfolglos: „Viele der Gespräche und Versuche scheiterten an Personen und oder am (Schul)system. Als das Projekt im Februar 2017 dann so stark auf der Kippe stand, dass es nicht weitergeführt werden sollte, haben wir mit Glück in Herrn Sonne in Viannos einen zuverlässigen Partner aufgetan“, sagt Hartwig. Herr Sonne ist Deutschgrieche und kommt aus Thessaloniki, lebt aber in Viannos und hat einen guten Zugang zu Jugendlichen und jungen Erwachsen. Er trieb eine Gruppe Jugendlicher auf und der Grundstein für die Fortsetzung der Kooperation war gelegt.

Während der Austausche wird ein gemeinsamer Blog mit Fotos und kurzen Texten gefüllt. „Eine Schwierigkeit ist es, Mädchen in das Projekt zu bekommen“, erzählt Hartwig, „Auch glauben viele Jugendliche oft dem, was in der BILD-Zeitung steht. Da ist es toll, dass sie in einen direkten Dialog mit den Jugendlichen aus Griechenland treten können um vielleicht auch eigene Vorurteile zu revidieren“. Aber das ist nicht die einzige Herausforderung: „Auf Englisch zu kommunizieren ist nicht immer einfach. Auch vom Intellekt gibt es natürlich Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, auch weil die formale Bildung in Griechenland sehr hoch ist“, erklärt Hartwig. Gemeinsame Aktivitäten und Sport bilden eine gute Kommunikationsebene in dem Projekt.

Das sagen TeilnehmerInnen
Das Projekt bleibt eine große Bereicherung für beide Seiten. Ehemalige TeilnehmerInnen erinnern sich gern an Ihre Zeit in Kleve zurück.
Fotini Kontaki: „Durch dieses Projekt hatte ich die Möglichkeit verschiedene Orte zu besuchen, mit Viehzucht und landschaftlichen Interessen, wo mir deutlich wurde, wie viel Respekt die Deutschen vor der Natur und den Tieren haben. Wir haben viele Leute kennengelernt mit unterschiedlicher Herkunft und Kultur und zum ersten Mal habe ich mich mit meinen Vorurteilen auseinandergesetzt. Es hat mich sehr beeindruckt das der Staat sich um die Jugendlichen kümmert und hilft, etwas was es in Griechenland nicht gibt.“

Katerina Brindaki: „Man sagt das Griechenland ein kleines Paradies ist, wenn man aber ein anderes Europäisches Land besucht, vergleicht man automatisch. Das ist auch mir passiert nach unserer Reise in Kleve. Das Erste was einem auffällt, sind die großen Straßen, ohne Kurven und Löcher. Die Autofahrer haben Bewusstsein, halten sich an die Regeln und respektieren die Fußgänger. Es gibt viele Wälder, gepflegte Parks, Flüsse und Seen. Ich war atemlos als ich vor dem Kölner Dom stand. Xanthen hat mich auch sehr beeindruckt, die Architektur, die kleinen Geschäfte und das Gefühl das die Zeit hier stehen geblieben ist. Durch den Kontakt mit den Menschen eines so organisierten Landes wurde mir deutlich, das sie ihr Land lieben, sehr engagiert in ihrer Arbeit agieren und sehr gastfreundlich sind.“

Maria Fragiadaki: „Es war keine Urlaubsreise nur mit Spaß und Erholung, sondern eine Lebenserfahrung. In den 7 Tagen wurde mir bewusst, dass ein organisiertes Land der Gesellschaft viel zu bieten hat. Die Hilfe für junge Menschen, die nicht die Gelegenheit haben zu studieren, die schwierige Lebensbedingungen haben, ist lobenswert. Auch die Wiederverwertung des Mülls hat mich beeindruckt und die Energiequellen durch Wind, Sonne und Biogas. Ich hoffe das die anderen Jugendlichen aus unserem Land auch die Gelegenheit bekommen so eine Reise zu erleben, um „aufzuwachen“, so dass wir alle zusammen es schaffen unsere Heimat auf dieses Niveau zu bringen.“

Manthos Damoulakis: „Noch heute habe ich von der Reise in Kleve viele Bilder und Gedanken in meinem Gedächtnis. Obwohl die Jugendlichen in Deutschland andere Musik hören, hat sie die Musik aus Kreta gerührt und sie waren sehr enthusiastisch. Durch unseren Ausflug in die Niederlande wurde mir bewusst, wie verschieden die Länder sind, obwohl sie aneinander grenzen.“

Alexandros Syngelakis: „Vor unserer Abfahrt fragte ich mich welche Vorteile diese Reise für jeden von uns haben würde. Mir war bekannt, dass wir ein Land besuchen, das in Europa Pionier ist in der Technologie, der Produktion, der Organisation und der Sozialethik. Das hat sich bestätigt. Das was ich nicht erwartet habe, ist die Gastfreundschaft der Deutschen. Nicht nur unsere Begleiter und die Verantwortlichen des Projektes, aber auch die einfachen Menschen und die Jugendlichen des Theodor Brauer Hauses.“

Fotos: Philipp Hartwig, Theodor-Brauer-Haus Kleve

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