Thema suchen, Reiseroute planen, Flugticket buchen und los gehts mit den Erfahrungen? Ganz so einfach ist es nicht, aber eine Portion Spontanität schadet nie, erzählt die Studentin Chiara Aron. Mit dem Griechenland-Reisestipendium der Kreuzberger Kinderstiftung war sie drei Wochen lang in Thessaloniki, auf Mykonos, in Athen, Kavala und in der Studentenstadt Komotini unterwegs und hat Antworten gesucht auf die Frage: Wie steht es hier mit dem Puls Europas?

Agorayouth: Chiara, du warst im Herbst 2017 drei Wochen lang in Griechenland unterwegs. Was wolltest du während deiner Reise herausfinden?
Chiara Aron:
Ich habe mich auf die Suche nach dem „Pulse of Europe“ begeben, wie es im Titel meines Reiseberichts heißt. Konkret bedeutet das: Ich habe junge Menschen gefragt, was sie von der EU halten und ob sie ihre Zukunft darin sehen. Besonders interessiert haben mich die Leute, die sich aktiv engagieren, also für Europa kämpfen: Was ist ihre Motivation?

Agorayouth: Du warst vorher noch nie in Griechenland. Warum hast du dich für das Stipendium beworben – gab es einen konkreten Anlass?
WhatsApp Image 2018-01-15 at 20.52.24Chiara:
Mich beschäftigt das Thema Europa schon länger und als ich ein halbes Jahr in Rom gelebt habe, habe ich schnell gemerkt, dass viele junge Menschen dort anders zu dem Thema stehen als in Deutschland. Das war bei „Pulse of Europe“ ähnlich. In Mitteleuropa ist die Bewegung für ein paar Monate richtig aufgelebt, aus dem Süden Europas hat man aber kaum etwas mitbekommen. Und gerade Griechenland ist in einer ganz speziellen Situation; aufgrund der Eurokrise ist eine „EU-Euphorie“ hier nicht selbstverständlich. Ob und, wenn ja, warum die Menschen dort trotzdem noch an Europa glauben, fand ich eine interessante Frage.


Agorayouth: Was für Erfahrungen hast du denn auf deiner Reise gemacht im Bezug auf deine Fragestellung?
Chiara: Zum einen habe ich mich mit jungen Menschen getroffen, die in pro-europäischen Organisationen tätig sind, zum anderen bin ich auf spontane Begegnungen und Gespräche eingegangen. Die Erkenntnis: Überzeugte Pro-Europäer musste ich wirklich gezielt suchen. Wer nicht gerade in einer Organisation tätig ist, der steht dem Thema EU meist gleichgültig gegenüber, oft aus Verzweiflung – so waren zumindest meine Erfahrungen, was nicht heißt, dass es überall so sein muss.

Agorayouth: Gab es Dinge, die dich überrascht oder erstaunt haben?
Chiara: Überraschend fand ich vor allem, dass viele junge Griech*innen die „Schuld“ für ihre miserable soziale Situation bei ihren eigenen griechischen Mitmenschen sehen und weniger die Schuld auf „die EU“ schieben. Manchmal war sogar von einer „griechischen Mentalität“ die Rede, was mich stark an die Zeit erinnert hat, als in deutschen Medien und an Stammtischen die Rede von „den faulen Griechen“ war.

Was waren das für Momente auf der Reise, die dich nachdenklich gemacht haben, was die Zukunft Europas und auch Griechenlands angeht?
IMG-20171011-WA0065Chiara:
 Da ich persönlich unsere Zukunft in einem vereinten Europa sehe, hat es mich natürlich enttäuscht – wenn auch nicht überrascht– dass das alles so vielen Menschen egal ist. „Pulse of Europe“ in Athen konnte trotz eines Organisationsteams nicht stattfinden, weil es keine Teilnehmer gab. Die Mitorganisatorin Thalia hat mir berichtet, dass die Menschen nicht grundsätzlich dagegen seien. Aber sie fragten nach Gründen dafür mitzumachen und wohin die EU führe. Das konnte sie ihnen nicht beantworten – niemand kann das so recht. Das bedeutet für mich einen Stillstand in Europa, der das Klima auf keinen Fall verbessert. Aber vielleicht wird sich das ja bald durch den sogenannten „deutsch-französischen Motor“ ändern?

Agorayouth: Hattest du auch mal Schwierigkeiten auf deiner Reise?
Chiara
: Obwohl ich einen Plan für meine Reise hatte, haben sich nicht immer alle geplanten Treffen ergeben, vor allem da einige meiner potenziellen Gesprächspartner noch in den Ferien waren. Im Nachhinein ist das aber gar nicht so schlimm, weil ich dafür andere, spontane Begegnungen gemacht habe und trotz allem eine Erkenntnis aus den drei Wochen ziehen konnte. Wer sich also mit dem Stipendium auf die Reise begibt, sollte sich nicht zu sehr unter Druck setzen, sondern die Dinge auf sich zukommen lassen – und trotzdem die eigentliche Frage immer im Hinterkopf behalten.

Agorayouth: Was denkst du, was so ein Reisestipendium „bewegen“ kann und was hat es dir persönlich gegeben?
DSC_1452Chiara:
Die Reisestipendien ermöglichen es jungen Leuten ins Gespräch zu kommen und sich, anders als im Erasmus-Programm oder ähnlichem, über ein spezielles, relevantes Thema auszutauschen. Die Erkenntnisse können sie dann in ihre Heimatländer tragen. So erfährt man Dinge, die in der täglichen Medienberichterstattung vielleicht zu kurz kommen, und das aus einer ganz anderen Perspektive.

Der ausführliche Reisebericht von Chiara ist hier zu finden.

Aktuell vergibt die Kreuzberger Kinderstiftung in Zusammenarbeit mit der Schwarzkopf Stiftung Junges Europa wieder Reisestipendien. Eine Bewerbung ist noch bis zum 18.März 2018 möglich. Alle Informationen hier und hier.

Interview: Lisa Brüßler, ehemalige Stipendiatin der Stiftung
Fotos: Chiara Aron

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.

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