Es gibt große Differenzen zwischen Deutschland und Griechenland in Bezug auf Jugendarbeit. Das verdeutlichte der griechische Jugendarbeiter Panos Poulos während des Fachtags „Kulturelle Bildung“ am 12. Mai in Bonn.

Panos Poulos, FILOXENIA – Intercultural-Environmental Organisation, erklärt die „griechischen Verhältnisse“
Panos Poulos hat in den 1980er Jahren in Berlin politische Jugendbildung studiert, ging 1995 zurück nach Griechenland, um unter anderem als Streetworker und in europäischen Projekten tätig zu sein. Seine Rede war von den über 30 Teilnehmenden mit Spannung erwartet worden. Denn über seine Mitarbeit in der NGO Filoxenia und seine eigene Biografie gilt er als ausgewiesener Experte, die griechischen Bedürfnisse zu umzeichnen. „Was versteht man in Griechenland überhaupt unter dem Wort Jugendarbeit?“, lautete demnach auch seine Einstiegsfrage. Im aktuellen Prozess zur Etablierung des Deutsch-Griechischen Jugendwerks sind Unterschiede beim Verständnis solcher Begrifflichkeiten häufig festgestellt worden. Nun bekam die griechischen Perspektive ihren Raum. „Bildung in Griechenland ist Sache des Staats. Alles andere, was außerhalb davon liegt, bewegt sich meist auf dünnem Eis.“ Panos Poulos erklärte den Anwesenden die Hintergründe von kultureller Bildung – angefangen bei der verhinderten Freizeit für junge Menschen aufgrund des Schulsystems über die schlechte Ausstattung für schulische und außerschulische Freizeitmöglichkeiten bis hin zum größten Problem: der fehlenden übergeordneten Struktur. In diesem Punkt sahen demnach auch alle Anwesenden die entscheide Chance durch das Jugendwerk.
„Das DGJW wird helfen, den ganzen unzähligen Initiativen eine feste Struktur zu geben. Und so wird eine Form der Multiplikatoren-Ausbildung in Gang gesetzt, von der alle profitieren.“ Eine feste Struktur scheint extrem notwendig zu sein. Das griechische Generalsekretariat, das 1982 gegründet wurde, existiere faktisch nicht mehr. Das seit März 2015 aufgebaute Generalsekretariat für Lebenslanges Lernen und Jugend werde seinen Aufgaben noch nicht gerecht. Entscheidend sei aber auch die überholte Struktur des nationalen Jugendrings. „Ein Kopf, der ohne Füße agiert. Eine Institution ohne Basis“, nannte Poulos das. Denn die Basis, die Stadtjugendringe, sind an dem nationalen Oberbau dazu nicht beteiligt. Welche Bedürfnisse also auf lokaler Ebene befriedigt werden müssten, stehe hinten an.
Und so erklärten sich mehr und mehr die teilweise für deutsche Projektpartner schwer zu verstehenden Strukturen: Es gibt kein Jugendgesetz, keinen Landesjugendplan und auch keine kommunalen Jugendinformationsbüros mehr. Daher steht die kulturelle Bildung auf „freien Füßen“, meist gefördert durch EU-Mittel. Staatliche Kulturförderung beschränkt sich auf große Sommerevents, meist große Bühnen oder Festivals. Und schließlich haben jungen Menschen schlicht und ergreifend kaum Zeit, um kulturelle Bildungsangebote wahrzunehmen. Dennoch: „So katastrophal, wie im zunächst gezeichneten Bild, ist es aber gar nicht. Zahlreiche Vereine und außerschulische Institutionen bewegen enorm viel vor Ort“, so Panos Poulos. „Nun gilt es, dass diese durch das Deutsch-Griechische Jugendwerk besser verzahnt und strukturiert werden. Und das ist eine Aufgabe, auf die sich alle freuen.“
Der Fachtag “Kulturelle Bildung” im Rahmen des Aufbaus eines Deutsch-Griechischen Jugendwerks am 12. Mai in Bonn verdeutlichte zwei richtungsweisende Herausforderungen: Die Projektpartner müssen auf die griechischen Gegebenheiten noch verständnisvoller eingehen und alle Beteiligten brauchen noch etwas Geduld. Weitere Beiträge zu den dort vorgestellten Projekten und dem Stand der Dinge folgen in Kürze…
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