Teil 1: Welche Antworten geben Jugendorganisationen auf die Pandemie?

Physischer Austausch liegt momentan auf allen Ebenen still. Wie Jugendorganisationen in Deutschland und Griechenland mit den Einschränkungen durch die Pandemie umgehen, welche alternativen Wege sie entwickelt haben und wie sie das weitere Jahr planen, fragen wir sie in einer Umfrage. Den Anfang machen G2RED aus Athen, die NGO PRAXIS aus Serres, und die Organisation Agrio Rodo, die auf der ionischen Insel Korfu ihren Sitz hat.

Agorayouth: Thanasis, du arbeitest bei G2RED in Athen. Für Leser, die euch nicht kennen: An welchen Projekten und Themen arbeitet ihr schwerpunktmäßig?
Bildschirmfoto 2020-04-13 um 12.43.05Thanasis Tsaldaris: G2RED ist eine Organisation, die aus Griechen mit Migrationshintergrund der zweiten Generation zusammengesetzt ist. Der Fokus unserer Organisation liegt auf dem Eintreten für Menschenrechte und auf der Integration von Migranten und Geflüchteten in die Gesellschaft. Das Ziel ist, eine neue Generation von aktiven Bürgern ins Leben zu rufen.

Wir haben mit unserem Partner in Deutschland, der Kreuzberger Kinderstiftung in Berlin, das Projekt „The Other in Me“ und das Format „The Diversity Volcano“ im non-formalen Bereich in Schulen in Griechenland durchgeführt. Das Ziel ist es, Themen wie Rassimus, Fremdenfeindlichkeit und alle anderen Formen von Diskriminierung durch solche Initiativen anzugehen – und das nicht nur in Griechenland. Der Diversity-Volcano wird jetzt in Schulen in Deutschland durch die Kreuzberger Kinderstiftung bekannt gemacht. Das ist es etwas, das nochmals Mehrwert in unsere Partnerschaft gebracht hat.

Wie haben sich denn eure Arbeitsprojekte in den vergangenen Wochen verändert?
Nach dem Ausbruch des Virus in Griechenland hat die Regierung sehr strenge Maßnahmen ergriffen. Diesen Maßnahmen und den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation folgend, hat G2RED beschlossen, das Büro zu schließen und alle Mitarbeiter und Praktikanten ins Home Office geschickt. Wir versuchen, die meisten unserer Projekte von dort fortzuführen, manche Aktivitäten mussten natürlich verschoben werden. Wir planen außerdem, ein paar unserer Services online weiterzuführen, die wir schließen mussten – das umfasst etwa die Rechts- und Berufsberatung, aber auch den Griechisch-Unterricht.

Wie geht ihr jetzt die kommenden Monate an, mit welchen Schwierigkeiten habt ihr zu tun?
Die Schwierigkeiten, mit denen wir es gerade zu tun haben, haben vor allem mit der Einschränkung der Bewegung zu tun. Viele Menschen, die uns konsultieren, können nicht zu uns kommen. Die Kommunikation ist also komplett auf das Telefon und Internet verlagert worden. Das Problem ist: Manche Menschen können sich den Zugang zu beidem nicht leisten. Auch Aktivitäten in Schulen wurden natürlich ausgesetzt, sodass wir einen Teil unserer non-formalen Angebote in das nächste Schuljahr verschieben mussten. Projekte wie Workshops, Konferenzen und persönliche Treffen sind auch verschoben oder durch online Äquivalente ersetzt worden – damit müssen wir leben.


Agorayouth: Anna, an welcher Art von Projekten und Themen arbeitet ihr bei PRAXIS in Serres schwerpunktmäßig?
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Anna Alevra:
Seit 1995 bieten wir als NGO in Serres ein weites Spektrum an Aktivitäten, um die Entwicklung und das Empowerment der Zivilgesellschaft in Griechenland zu unterstützten.  Wir arbeiten viel zu Themen rund um Medien, Kommunikation, neuen Technologien und digitalen Kompetenzen, aber auch in den Bereichen Jugendarbeit, Partizipation, Flucht und Migration und Menschenrechten.

Wir arbeiten sowohl auf der lokalen Ebene, aber auch mit EU-Programmen: Regelmäßig kommen zum Beispiel Jugendliche für einen Freiwilligkeiten von unserer Partnerorganisation in Deutschland, der Kölner Freiwilligen Agentur. Unsere lokalen Aktivitäten umfassen etwa ein Informationszentrum für Jugendliche, um ihre Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern, wir entwickeln aber auch Veranstaltungen und Kampagnen. Zudem arbeiten wir mit Schulen und Universitäten zusammen und bieten  Unterstützung für Geflüchtete und Migranten.

Wie haben sich eure Arbeitsprozesse und Projekte in den vergangenen Wochen verändert?
Wir mussten Ende März ein Projekt zum Thema Projektmanagement hier in Serres verschieben und auch ein Seminar, das wir mit unserem Partner „FUSION – Intercultural Projects“ in Berlin für Anfang Juni geplant haben, mussten wir verschieben. Die lokalen Aktivitäten hier pausieren alle. Trotz den Schwierigkeiten haben wir unsere Arbeit mit Freiwilligen und das Projektmanagement auf Online-Plattformen angepasst.

Wegen der Corona-Pandemie mussten wir auch die Ankunft unserer neuen ESK-Freiwilligen verschieben. Aktuell sind wir noch auf der Suche nach neuen Freiwilligen ab Juli, aber es ist natürlich aktuell schwierig. Wir haben derzeit eine Freiwillige, die am 1. Mai ihren Dienst beenden wird und sind besorgt darüber, wie sie wieder in ihre Heimat kommen soll, da ja alle Flüge gestoppt sind.

Und wie plant ihr mit der jetzigen Situation die kommenden Monate?
Die Pandemie ist eine weitere Herausforderung für Organisationen, Arbeitnehmer und Jugendliche – zusätzlich zu denen, die aus der Finanzkrise resultierten. An schwierige Zeiten um Umstände gewöhnt und geübt darin, sich schnell an neue Situationen anzupassen, haben wir schnell einen Aktionsplan entwickelt, sodass unsere Arbeit und Bemühungen nicht gestoppt werden.

Für die nächsten Monate planen wir tägliche Online-Treffen, wir beschäftigen uns mit neuen Tools und nehmen weiter an Seminaren und Diskussionen teil, um unsere Ideen und Vorschläge mit anderen zu teilen – und auch um unsere Verbindung zu unserem Partner-Netzwerk aufrecht zu erhalten. Über ein neues Freiwilligen-Team arbeiten wir weiter daran, junge Menschen online zu empowern.

Was ist für euch die größte Schwierigkeit momentan?
Kommunikation! Auf der einen Seite erlauben uns die digitalen Tools in Echtzeit zu kommunizieren, aber die Distanz und das Fehlen von physischem Kontakt erzeugt auch Probleme. Viele von uns sind von dem Stress und der Unsicherheit schon einige Male überwältigt worden und das wirkt sich natürlich auch auf die Freiwilligen aus. Die ganze Situation ist nicht grade motivierend und hilft nicht dabei, ein angenehmes Klima zu erzeugen.

Ganz konkret gefragt: Welche Methoden habt ihr entwickelt, die ihr mit anderen teilen wollt?
Neben der Arbeit über Teamwork-Tools wie Padlets treffen wir uns jeden Nachmittag um 15 Uhr digital mit den Freiwilligen, die ihre Arbeit und Aufgaben über verschiedene Formate in den sozialen Medien zeigen. Wir haben auch die Online-Unterstützung von einem Mentoren und einem Co-working Psychologen eingeführt, für diejenigen, die diese brauchen und leisten insgesamt mehr Reflektionsarbeit.

Die Freiwilligen machen zudem weiter mit ihrer eigenen Radio-Show auf RODON FM. Wir haben ein neues Online-Team von Freiwilligen ausgebaut, um sie zu ermutigen auch jetzt, kreative Aktivitäten zu starten. Auch eine Online-Plattform für Griechisch-Sprachkurse ist in der Mache. Die Treffen moderieren wir zum Beispiel mit Spielen, Reflektionseinheiten und Musik.


Agorayouth: Dimitris, wie geht ihr mit Corona bei euch in der Organisation Agrio Rodo um?
Bildschirmfoto 2020-04-13 um 12.40.49Dimitrios Amvrossiadis: Corona ist für eine Jugendorganisation eine riesengroße Herausforderung. Alle Pläne fliegen in die Luft, Projekte werden gestrichen oder verschoben und die Planung für die Zukunft ist auch nicht einfacher. Auch uns hat es getroffen. Wir sind ein kleiner Verein, der durch die Deutsch-Griechische Jugendbegegnung 2016 auf die Welt kam. Gemeinsam mit unserem Partner aus Deutschland, Wilde Rose, treten wir für ein selbstbestimmtes, gleichberechtigtes, friedliches Zusammenleben, für Toleranz und Gewaltfreiheit und damit gegen jede Art von Ausgrenzung ein. Zudem stehen wir für einen schonenden Umgang mit Umwelt und Natur. Wichtig für uns ist seit einigen Jahren auch Inklusion.

Wie geht ihr in den vergangenen Wochen mit der Situation um?
Unser Programm war in diesem Jahr eigentlich ziemlich voll. Ein paar neue Projekte mit bestehenden Partnern waren schon länger geplant doch damit war es im April schon vorbei. Auch vor den Verboten und Reisebeschränkungen war die Angst groß genug, um Treffen abzusagen. Unsere jährliche Vollversammlung auf Korfu mit über 60 Mitgliedern aus ganz Griechenland musste auch erstmals verschoben werden und wurde dann in Gänze gestrichen. Das wäre die einzige Möglichkeit gewesen, Geld zu sammeln, um die laufenden Kosten des Vereins zu decken. Finanzielle Unterstützung gibt es für Verbände kaum.

Und wie geht es jetzt weiter?
Wie man so schön sagt, macht die Not auch erfinderisch und wir arbeiten daran, unser Programm zu verschieben. Planen von Maßnahmen im Ausland sind in diesen Zeiten aber fast zu einem Tabuthema geworden. 2020 ist damit quasi durch. Wir machen uns daher jetzt schon Gedanken um das Programm im nächsten Jahr. Jetzt gibt es viel mehr Zeit, sich Projekte auszudenken und sie zu planen.

All das ist nicht nur negativ: In solchen Zeiten sieht man, dass Spontanität genauso wichtig ist wie Disziplin oder Ordnung. Vielleicht muss man sich doch noch überlegen, ob es immer sinnvoll ist, langfristig zu planen.

 

Umfrage: Lisa Brüßler
Bilder: agorayouth

Hier geht es zu Teil 2 und Teil 3 der Umfrage-Reihe.
Η έρευνα στα ελληνικά. Εδώ θα βρείτε το μέρος 2 και εδώ το μέρος 3.

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