Zehn deutsche und griechische Jugendliche sind beim Barcamp auf Erkundungstour nach typischen Leipziger Eigenarten gegangen. Das Ziel: Eine gemeinsame Liebeserklärung an die Stadt. Was Fahrradwege und Balkone damit zu tun haben, hat Luca notiert.

Eine dichte Wolkendecke und Regentropfen erwarten die zehn Jugendliche am Samstagnachmittag, als sie das Kongresszentrum in Leipzig verlassen. Es ist ein grauer Tag. Die Sonne versteckt sich hinter der dunklen Wolkenwand, Regengeruch liegt in der Luft. Dennoch: Die jungen Deutschen und Griechen lassen sich nicht davon abhalten, sich auf die Suche nach dem zu machen, was „Typisch Leipzig“ ist. Besonders die griechischen Jugendlichen sind gespannt – es ist für viele die erste Reise außerhalb Griechenlands. Leipzig ist für sie bislang nicht mehr als ein Städtename.

Gemeinsam mit den beiden Tour-Guides Sylvia Rebbelmund und Daniela Rohr machen sich die Jugendlichen auf den Weg in die Innenstadt. Wohin die Reise geht, bleibt zunächst unklar – denn dafür sind die Jugendlichen selbst verantwortlich. Die beiden Guides stehen ihnen für Fragen zur Verfügung, ergreifen die Initiative jedoch nicht selbst.

Ein Leben ohne Balkone
Am alten Rathaus stoppt die Gruppe das erste Mal. Zum Leidwesen der aus dem Süden angereisten Griechen allerdings vor dem Eingangstor, ungeschützt vor Wind und Kälte. Ein erster Austausch der Teilnehmer ergibt, dass sich die Griechen besonders über eines wundern: Das Fehlen der Balkone an den Fassaden. „In Griechenland gibt es die überall, das ist total normal“, sagt eine griechische Teilnehmerin. „Das Problem wird sein“, ergänzt ein junger Grieche schmunzelnd, „dass hier sowieso nie die Sonne scheint“. Das Eis ist gebrochen – „Typisch Leipzig“ bekommt seine erste Bedeutung.

Während die Jugendlichen über die goldene Inschrift des alten Rathauses rätseln, die das gesamte Gebäude umfasst, fährt eine junge Frau mit dem Fahrrad klingelnd an der Gruppe vorbei. Eine Teilnehmerin erinnert sich an die Anreise: „In Griechenland gibt es gar keine Fahrradwege. Ich war total überrascht, man steht hier ja die ganze Zeit im Weg“. Die deutschen Teilnehmer müssen lachen. Was für sie selbstverständlich ist, ist gerade einmal zwei Flugstunden entfernt gar nicht mehr so üblich. In dem Moment fallen die ersten Regentropfen. Passend zur nächsten Station, der Untergrundmesshalle. „Das war die erste Messehalle der Welt, die unterirdisch verläuft“, erzählen die Tourguides.

Geschichtsträchtiger Ort
Als der Regen stärker wird, geht die Gruppe in die Richtung von Auerbachs Keller. Fröhliche Akkordeonmusik begleitet sie und bildet einen Kontrast zum ansonsten tristen Erscheinungsbild Leipzigs. In Sichtweite von Auerbachs Keller werden bei den deutschen Teilnehmern längst vergessene Traumata aus dem Deutschunterricht wieder präsent: Der Keller wurde insbesondere durch Goethes Drama „Faust“ bekannt und ist Teil des Deutschabiturs – keine Lektüre, die für ihre Verständlichkeit bekannt ist.

Die jungen Griechen jedoch sind interessiert – die meisten von ihnen haben noch nie von „Faust“ gehört, einigen sagt selbst der Name „Goethe“ nichts. „Bei uns in der Schule lernen wir viel über griechische Philosophen und Mathematiker, in Griechenland ist selbst Goethe nicht bekannt“, zeigt sich ein Leipziger Teilnehmer überrascht. Eine Freude teilen allerdings alle Teilnehmer: Das Gebäude um Auerbachs Keller bietet Schutz vor Regen und Kälte.

Versteckte Details in der Stadt
Der nächste Stop: Ein hoch gebautes altes Gebäude mit hellbrauner Fassade in der Innenstadt. Einige Griechen entdecken die Statue eines Kauzes am oberen Ende des Hauses. Die Tourguides freuen sich. „Überall in Leipzig findet man versteckte Details“, erklären sie. Das sei charakteristisch für die Stadt. Im Hintergrund spielt ein junger Mann, der nicht einmal zwanzig Jahre alt sein muss, auf mehreren Xylophonen moderne Popmusik. Nicht nur die Griechen sind beeindruckt von der Atmosphäre, die in der Stadt herrscht.

Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen. Die Gruppe läuft in Richtung Thomaskirche, wo sie ein Werbeschild für „Leipziger Lerche“ sehen. Noch während die Tourguides über die lokale Gebäckspezialität aufklären möchten, tritt eine Angestellte der Konditorei schnellen Schrittes aus der Tür und entfernt das Angebotsschild – Irritation und Belustigung, besonders für die Griechen. „So eine Pünktlichkeit sind wir gar nicht gewohnt“, scherzt ein Teilnehmer.

Liebesbrief an Leipzig
Die Tour endet am Leipziger Gewandhaus, doch eines ist noch offen. Zur Darstellung der Exkursion hatte das Organisationsteam des Jugendbarcamps eine ganz besondere Präsentationsweise ausgewählt: Ein Liebesbrief an die Stadt Leipzig. Gemeinsam erarbeiten die Jugendlichen um ihm am kommenden Tag zu präsentieren – und vielleicht bekommen sogar Fahrradwege und Balkone ihren verdienten Platz.

Text und Fotos: Luca Samlidis

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