Kassel und Athen – bis zum letzten Jahr gab es wenig Verbindung zwischen den beiden Städten. Bis die documenta14, die weltweit bedeutendste Ausstellung für Moderne Kunst, zum ersten Mal nicht nur im hessischen Kassel, sondern auch in Griechenland stattfinden sollte. Das nahm auch eine Jugendbegegnung zum Anlass, Anfang April 2017 mit Jugendlichen aus Italien, Polen, Spanien und Deutschland nach Athen zu reisen. In einem Monat  findet nun die Rückbegegnung in Kassel statt. 

Verschiedene Entwicklungen in den vergangenen Jahren haben zu großen Veränderungen im Leben der Menschen in Europa und auch der Jugendlichen in allen europäischen Staaten geführt: Die Finanzkrise, die die Menschen u.a. in Italien, in Spanien und insbesondere Griechenland hart trifft. Menschen aus nicht europäischen Staaten, die Schutz oder Arbeit in Europa suchen, sich aber trotz des Begriffs „Willkommenskultur“ eher nicht willkommen fühlen können. Attacken von Fanatikern, die ihr ‚Heil‘ im Jenseits suchen, dazu aber unbedingt am Jenseits Uninteressierte mitnehmen wollen. Attacken von Fanatikern, die ihr ‚Heil‘ im Diesseits suchen und da auf keinen Fall ‚Ausländer‘ dabei haben wollen.

Wie erleben Jugendliche in den beteiligten Ländern die Veränderungen? Welche persönlichen Veränderungen im lokalen Umfeld, aber auch auf europäischer Ebene erfahren die Jugendlichen, befüchten sie, erhoffen sie? Das sind Fragen, die sich die documenta14 in Athen und Kassel, aber auch die Jugendbegegnung mit dem Titel DOCUMENTAthens stellen wollen. 30 junge Menschen aus Padova (Italien), Poznan (Polen), Pamplona (Spanien), Kassel und Athen verbrachten vom 05. bis 12 April 2017 eine Woche in Athen, besuchten die Kunstaustellung, antike Stätten, aber auch die unterschiedlichen Stadtteile.

Das Ziel: Die Sichtweisen, Bedenken und Bedarfe von anderen Menschen kennenzulernen: Die Gruppe besuchte eine als Treffpunkt gestaltete Wohnung einer Nachbarschaftsinitiative von Menschen egal welcher Herkunft und welches sozialen Status. Dort konnten die Jugendlichen einige Wände gestalten und unter Anleitung professioneller Kunstler auch eigene Kunstwerke herstellen, die ihre Gedanken zu Wechsel und Veränderungen widerspiegeln, den DOCUMENTAthens ist ein Kunstprojekt. Auch die Situation in den Herkunftsländern der Jugendlichen war immer wieder Thema: Arbeitslosigkeit, Sparvorgaben, das Erstarken rechter Parteien, der Umgang mit Geflüchteten.

Teilnehmer Maximilian Hanke erzählt:
„Unsere Reise nach Griechenland startete an einem Mittwochabend. Unser Flug startete vorteilhafterweise vom Flughafen Calden bei Kassel und brachte uns auf direktem Wege nach Athen. Als Unterkunft diente uns das Hotel Achillion inmitten der Metropole – nur wenige Gehminuten vom Omonia-Platz entfernt. Die Teilnehmenden wurden gemischt und teilten sich jeweils zu dritt ein Hotelzimmer. Ich teilte mein Zimmer mit Szymon aus Poznen und Thanos aus Athen. Die beiden waren sehr angenehme Zimmerkumpanen und wir kamen immer gut miteinander aus. Szymon pflegte es, nachts noch eine ausgiebige Dusche zu nehmen, was Thanos und mich manchmal vom Schlafen abhielt, doch wir nahmen es mit Humor.

Um den Schlaf ging es während dieser Jugendbegegnung ja auch eigentlich nicht. Wir hatten ein tägliches Programm mit allen Teilnehmenden (zwischen 17 und 25 Jahre alt) und den dazugehörigen Teamenden. Als Seminarraum nutzen wir die Räumlichkeiten des Hotels, welche leider nur begrenzt für unsere Zwecke ausreichten. Wir konnten glücklicherweise einige Teile des Programms nach draußen verlegen. Das kam uns gerade bei dem schönen sonnigen Wetter mit bis zu 25 Grad sehr gelegen. Das Programm bestand aus Ice-breaking activities, Kooperationsübungen, Workshops rund um Kunst und Kreativität, Länderpräsentationen, Gelegenheiten zum Austausch, dem Besuch der Documenta in Athen und noch einigem mehr. So war man tagsüber also immer gut beschäftigt und hatte dann abends Freizeit.

Inspirationen und Informationen
Ich verbrachte meine Freizeit damit, mich unter die Leute zu mischen und neue Kontakte zu knüpfen. Dabei verbrachte ich die meiste Zeit mit den Teilnehmern, die nicht aus Deutschland kamen. Viele der Teilnehmer kannten sich aus ihrer Heimat bereits. Ich kannte niemanden, also gesellte ich mich einfach zu den Gruppen und versuchte den Austausch etwas anzutreiben. Die Kontaktaufnahme verlief eigentlich immer reibungslos und ich wurde freundlich und aufgeschlossen in Gespräche mit einbezogen. Es ging um Politik, Arbeit, Musik, Hobbys und um noch einiges mehr. In dieser Woche gab es so viele neue Eindrücke, Inspirationen und Informationen, dass ich mich teilweise fast erschlagen fühlte, allerdings im positiven Sinne.

Dazu kam noch die fremde Stadt Athen, die so groß und facettenreich ist, wie ich es mir nie hätte vorstellen können. Ich sah die Touristenviertel mit den unzähligen Souvenirshops, die mit Graffiti überzogenen Wohngegenden und Universitäten, den Hafen, die Akropolis, die Museen und Ausstellungsorte der Documenta, die Bars, Clubs und Restaurants.

Zur Documenta kann ich sagen, dass für mich die Ausstellungen zur modernen und zeitgenössischen Kunst sehr interessant waren. Der Besuch der Documenta hat mein Interesse an Kunst auf jeden Fall geweckt und es wird sich zeigen, wie weit ich die gemachten Erfahrungen noch mit der Documenta in Kassel ergänzen kann.

Während des Projektes unterhielten wir uns auf Englisch und ich war wieder mal überrascht, wie leicht es mir fiel die englische Sprache zu benutzen, wenn es denn mal darauf ankommt. Dies lag aber auch an der ungezwungenen Atmosphäre, da es für jeden eine Fremdsprache und so auch eine Herausforderung war. Kam es dann mal zu Missverständnissen, hat meistens schon ein simples Nachfragen gereicht, um sie wieder aus der Welt zu schaffen.

Erfahrungen in Athen
Eine Jugendbegegnung wie diese bietet also eine gute Möglichkeit seine Englischkenntnisse zu verbessern und ein bisschen Routine im Sprechen zu bekommen. Meine Selbstsicherheit, ein Gespräch auf Englisch zu führen, ist auf jeden Fall gewachsen. Aus den Gesprächen ging für mich schnell hervor, dass ich mit den jungen Menschen aus Europa viele Probleme, Gedanken und Gefühle teilen konnte. Ich entdeckte viele Parallelen zu meinem Alltag und mir wurde klar, dass es bis auf unseren kulturellen Hintergrund und die wirtschaftliche Lage des Heimatlandes gar nicht so viele andere Dinge gab, die uns voneinander unterscheiden. Es entwickelte sich immer mehr eine Art „Klassenfahrtsgefühl“, das ich sonst nur aus der Schule kenne.

Das Thema von Wechsel und Veränderung war nicht nur im Programm des Projektes allgegenwärtig, sondern war grade auch anhand der Stadt und ihrem nach wie vor andauerndem Kampf mit der Finanzkrise zu erkennen. Besonders auffällig waren natürlich die vielen geschlossenen Läden die man findet, wenn man erst mal die Touristenviertel verlassen hat und die vielen obdachlosen Menschen sieht, die zusammen mit Hunden und Katzen auf den Straßen leben. Im Kontrast dazu stand die faszinierende Architektur der Stadt. Direkt neben den prunkvollen, historischen Gebäuden saßen Menschen auf den Straßen, die durch das Betteln, den Drogenverkauf oder mit Touristenfallen versuchen ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Das gleiche Phänomen gibt es natürlich auch in deutschen Großstädten, allerdings nicht in diesem Ausmaß.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass die Jugendbegegnung in Athen eine tolle Erfahrung und Bereicherung für mich war. Mein Interesse an weiteren Projekten ist auf jeden Fall geweckt worden. Ich habe viele nette Menschen kennengelernt, mit denen ich auch in Kontakt bleiben werde. Falls ich nun mal in Italien, Griechenland, Spanien oder Polen bin habe ich dort Freunde, die mich sofort bei sich aufnehmen würden und auch ich würde das Gleiche für sie tun!“

Die Rückbegegnung findet vom 22.Juli bis 04. August unter dem Motto: „Future 4.0 -Quo vadis Europa?“ im Rahmen der Interantionalen JugendTanz- und Theatertage in Kassel statt. Unter der Anleitung von professionellen Künstlern  entwickeln die Teilnehmenden eine eigene Performance (mit eigenen Tanz- und Theaterszenen sowie Songs), die ihre Gedanken zu Wechsel und Veränderungen widerspiegeln. Wer zwischen 16 und 25 Jahren alt ist und aus Kassel kommt, findet hier Infos zur Anmeldung. 

Veranstaltet wurde dieses Internationale Kunstprojekt vom Kommunalen Jugendbildungswerk der Stadt Kassel in Kooperation mit der griechischen Partnerorganisation Youthnet Hellas. Außerdem waren dabei Comune di Padova – Progetto Giovani, Forum Kultur Poznan und EKHI Huar.

Der Text mit Bildern ist in leicht geänderter Form zuerst hier erschienen
Bild: Das Parthenon der Bücher auf dem Kasseler Friedrichsplatz. Olaf Kosinsky (wikiberatung.de), Lizenz: CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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