Die Sinus-Studie 2016 bietet tiefe Einblicke in die Lebenswelten von jungen Menschen in Deutschland. Auf dem Podium von #GGYouthForum2017 präsentiert Dr. Gabriele Schambach von der SINUS Stiftung die Studie. Uns hat sie weitere Fragen dazu beantwortet.
Agorayouth: In der Studie „Lebenswirklichkeiten 2016“ haben Sie junge Menschen in Milieus eingeordnet wie „Konservativ-Bürgerlich“, „Adaptiv-Prakmatisch“ oder „Expeditiv“. Gab es über die vergangenen Jahre für bestimmte Milieus besonders hohen Zuwachs?
Schambach: Das können wir so nicht sagen. Die Sinus-Studie ist eine qualitative Studie. Wir beschreiben für einzelne Milieus plastisch, wie der Alltag eines Jugendlichen aussieht. Wir wissen beispielsweise, dass die Konservativ-Bürgerlichen gerne Helene Fischer hören und sehr heimatverbunden sind, während die Expeditiven einen hohen Bildungsgrad haben, Rebellion und Selbstverwirklichung hochhängen und tragischerweise es genau deshalb schwer haben einen Job zu finden. Weil wir aber die Zusammensetzung unserer Interviewpartner nicht anteilig der gesamten Jugendlichen auswählen, können wir keine quantitativen Aussagen zur Verschiebung der Zugehörigkeiten treffen.
Agorayouth: Sie befassen sich mit den Unterschieden innerhalb der Generation What. Gibt es auch Gemeinsamkeiten?
Schambach: Klar, viele sogar! Jungen Menschen ist die Zukunft wichtig, der Beruf und auch die Familie. Nur ist je nach Milieu der Umgang mit diesen Themen eben unterschiedlich. Selbst junge Menschen, die gegen ihre Eltern aufbegehren, sind dadurch stark auf die Eltern fixiert – was für uns bestätigt, dass Eltern ein wichtiges Thema bleiben.
Agorayouth: Welche Chancen bietet ein binationaler Jugendaustausch, wie ihn das deutsch-griechische Jugendwerk fördern will?
Schambach: Heranwachsende leben in ihren eigenen Milieu-Blasen. Was anders ist oder nicht in ihr Weltbild passt, wird oft als merkwürdig oder gar falsch abgetan. In Deutschland erleben wir, wie bereichernd es sein kann, wenn junge Menschen aus diesen Blasen ausbrechen. In Vereinen wie beim Sport oder der Freiwilligen Feuerwehr tauschen sich die Milieus untereinander aus und lernen, die Position des anderen zu verstehen. Diese Chance gibt es auch auf internationaler Ebene, in Form beispielsweise eines solchen Jugendwerks.
Agorayouth: Wo können sich die Griechen von deutschen Jugendlichen inspirieren lassen?
Schambach: In anderen Studien haben wir herausgefunden, dass die Griechen besonders pessimistisch in die Zukunft blicken, weil sie sich um ihren Job sorgen. Auch das Vertrauen in die politischen Institutionen ist gering, deshalb plädieren 38 Prozent der griechischen Jugendlichen für einen Austritt aus der EU – im Gegensatz zu nur neun Prozent der Deutschen. Das sind Themen, über die man im Rahmen eines Jugendwerkes sprechen könnte. Allerdings muss man bei der Bewerbung eines solchen Austausch-Programmes eben wissen, wie man die Leute erreichen will.
Agorayouth: Heißt?
Schambach: Man muss die Menschen abholen wo sie sind! Diese Binsenweisheit hat immer noch Gültigkeit. Wir haben für jedes Sinus-Milieu bestimmte Themen identifiziert, mit denen man die jungen Leute kriegt. Das kann im hedonistischen Milieu die Unabhängigkeit sein, und im konservativ-bürgerlichen Milieu die Sicherung des eigenen Status. Je nachdem, welche Art von jungen Menschen man mit einer Kampagne erreichen will, lohnt es sich dann genau, solche Werte in eine Kommunikationskampagne einzubeziehen, und auch die Verpackung danach auszurichten. Wem die Selbstentfaltung wichtig ist, der fühlt sich durch Helene Fischer nicht unbedingt angesprochen.
Interview: Michael Metzger Foto: Till Holland
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