Die Jugendkultur Griechenlands ruht auf zwei Säulen, so lässt sich die Rede des griechischen Politikwissenschaftlers und Konfliktforschers George Voskopoulos auf den Punkt bringen: Familie und berufliches Umfeld. Durch die aktuelle finanzielle Krisen-Situation sind beide Säulen einer hohen Belastung ausgesetzt, doch es gibt auch Grund zur Erleichterung: Einsturzgefährdet sind beide Säulen nicht.

Traditionell nimmt die Familie in Griechenland einen hohen Stellenwert im Leben von jungen Menschen ein, so Georg Voskopoulos, Politikwissenschaftler an der Universität Mazedonienund ergänzt an die deutschen Teilnehmer gewandt: „Wenn ich einen Blick auf euere Sinus-Studie werfe mit dem Drang eurer Jugend nach Ausbruch und Abgrenzung, dann hätten die ganz schön viele Probleme, sich in Griechenland anzupassen.“ Denn griechische Mütter und Väter sind es gewohnt, lange Zeit in die Biografien ihrer Kinder einzuwirken, ihnen sogar Studienfächer oder Berufswahl zu empfehlen. Erst nach und nach begehren in Athen, Thessaloniki und anderswo die jungen Leute dagegen auf – auch weil sie merken, dass die Rezepte von früher zu einer Ära der Finanzkrise nicht mehr passen. Wahr ist aber auch: „Mutter und Vater sind in Griechenland die ganze Zeit ein Bollwerk gegen die Krise gewesen.“

Berufsleben in Griechenland

Säule Nummer zwei, der Arbeitsmarkt, steht bedeutend wackeliger da als die Familienstruktur. „Die griechische Wirtschaft hat schon lange keinen Schwerpunkt mehr in der Industrie“, sagt Voskopoulos, „aber durch die Krise sind auch noch die letzten Jobs im produzierenden Gewerbe weggefallen.“ Die Folge: Absolventen der durchaus renommierten Studiengänge von Ingenieurswissenschaften, Physik oder Biologie würden nach dem Abschluss das Weite suchen und zu Gunsten einer besseren Berufsperspektive das Land verlassen. Verschärfend kommt dazu, dass junge Griechen anscheinend noch ein romantisierendes Bild des Arbeitsmarktes haben. In einer europaweiten Umfrage waren Griechen mit Abstand am wenigsten bereit, im Laufe ihres Berufslebens überhaupt ein mal den Arbeitsplatz zu wechseln.“ Das Schlagwort vom lebenslangen Lernen nehmen viele als Drohung wahr“, sagt Voskopoulos. „Weil Schule hier nur aus Auswendiglernen besteht, sind Jugendliche oft froh, wenn sie ihren Abschluss haben – und wollen nie wieder zur Schulbank zurück.“

Individuelle Freiheit in der Erziehung, Methoden des lebenslangen Lernens und das Schaffen ernsthafter beruflicher Perspektiven – das sind die hauptsächlichen Herausforderungen, die junge Menschen derzeit beschäftigen. Auch die Flüchtlings- und Migrationskrise spielt eine große Rolle. Eine Gefahr, dass junge Menschen angesichts der eigenen prekären Situation extremen politischen Positionen anheim fallen, sieht Voskopoulos allerdings nicht: „All unsere Umfragen haben diese Befürchtung nicht bestätigt“, sagt der Experte. „So kann ich sagen: Es gibt wenige Dinge, wegen derer ich auf mein Land stolz bin. Doch was junge Menschen trotz unserer Krise an Projekten auf die Beine stellen, um Geflüchteten zu helfen, das macht mich doch ziemlich stolz.“

Text: Michael Metzger
Foto: Till Holland

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