Zusammen mit der Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa vergibt die Kreuzberger Kinderstiftung seit Anfang 2016 Stipendien für Studienreisen nach Griechenland. Acht junge Menschen sind bislang nach Griechenland gereist. Der Neunte macht sich diese Woche auf die Reise – nach Lesbos. Ein Zwischenfazit.

Die Flüchtlingskrise, die Grenzen der europäischen Solidarität, solidarische Projekte junger Griechen, autonome Kulturräume und Selbstorganisation – das waren nur einige Forschungsvorhaben der acht jungen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren, die die Kreuzberger Kinderstiftung gefördert hat. „Da uns im letzten Jahr Dutzende sehr überzeugende Bewerbungen erreichten, entschlossen wir spontan deutlich mehr als die geplanten zwei Stipendien zu vergeben. Acht Stipendiaten konnten so zwischen drei und sechs Wochen lang recherchieren, wie junge Menschen in Griechenland mit den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Krisen umgehen“, erzählt Felix Lorenzen, der bei der Kreuzberger Kinderstiftung die Griechenland-Projekte betreut.

Unterwegs für sich, für die Öffentlichkeit, für andere
Athen, Thessaloniki, kleinere Kykladeninseln, Chios und Lesbos und auch ländliche Gebiete auf dem Peloponnes waren die Ziele der Reisestipendiaten. Mal ging es den Stipendiaten mehr um persönliche Projekte, mal auf Öffentlichkeit ausgelegte, einige wollten für die Universität forschen, für andere wiederum war es die erste Reise ganz allein.

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Die Kreuzberger Kinderstiftung am Maybachufer in Berlin (Foto: Kreuzberger Kinderstiftung)

So auch für den 21-jährigen Sulficar Saleh aus Berlin, der im Sommer sein Abitur bestanden hat und im Herbst anfangen möchte zu studieren. „Nach einigen Tagen in Athen möchte ich mit der Fähre weiter nach Lesbos reisen. Dort ziehe ich in die Flüchtlingsunterkunft Pikpa, in der ich mithelfen werde“, erzählt Sulficar. Pikpa ist eine Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, sich um Flüchtlinge jeder Herkunft zu kümmern, sie mit Lebensmitteln und Kleidung zu versorgen und sich mit den Kindern zu beschäftigen. „Mir gefällt, dass sich die Freiwilligen dort so stark einbringen können – von der Nachtwache an der Küste beim Ausschauschalten nach Booten, bis zu Essensausgabe und dem Gestalten von eigenen Aktivitäten“, sagt Sulficar.

Ein Sprung ins Unbekannte
In Griechenland war Sulficar noch nie, einen genau ausgearbeiteten Plan hat er nicht: „Wahrscheinlich bleibe ich etwa acht Wochen. Ich mache diese Reise in erster Linie für die Flüchtlinge. Sie sind meine Motivation“, erzählt er. In Berlin hat er es nicht geschafft, sich der Flüchtlingshilfe intensiv zu widmen. Jetzt will er sich an einem Brennpunkt, auf Lesbos, einbringen – ohne jegliche Ablenkung, die es in seiner Heimatstadt Berlin immer gibt.

„Die Erzählungen und Berichte der Reisestipendiaten beschreiben die Situation der Jugendlichen in Griechenland eindrücklicher als Studien und Statistiken es vermögen“, sagt Lorenzen. „Unsere Stipendiaten sind zu BeraterInnen unserer Arbeit geworden, denn sie kennen die Situation der Jugendlichen in Griechenland, die wir – im Geiste der europäischen Solidarität – durch gezielte Projektförderungen unterstützen, nun besser als wir.“ Sieben Projekte von und für Kinder und Jugendliche aus den Bereichen Bildung, Ausbildung, Jugendbeteiligung, interkultureller Dialog fördert die Stiftung finanziell.

Auch künftig sollen wieder Reisestipendien für Griechenland vergeben werden. Die nächste Ausschreibung wird voraussichtlich im Februar auf der Homepage www.kreuzberger-kinderstiftung.de veröffentlicht.

Drei Fragen an Reisestipendiat Sulficar Saleh

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Sulficar Saleh (Foto: privat)

Agorayouth: Sulficar, diese Woche geht es für dich los nach Lesbos. Was ist für dich das Ziel deiner Reise?
Sulficar:
„Ich möchte da helfen, wo es ziemlich viel zu tun gab bisher. Da, wo meine Hilfe am ehesten benötigt wird. Und ich möchte den Hilfesuchenden direkt helfen. An zweiter Stelle ist es natürlich auch eine Herausforderung für mich persönlich, der ich mich stellen möchte. Ich denke, ich kann dabei viel über und für mich lernen.

Agorayouth: Gibt es etwas, dass du vor Ort mit deiner Arbeit erreichen möchtest?
Sulficar: „Ich möchte auf Lesbos mit den Kindern im Camp Improvisationstheater spielen, sodass sie regelmäßig als Gruppe zusammenkommen, Übungen machen und Spaß haben. Eine Ablenkung haben. Mein Wunsch wäre es, damit etwas aufzubauen, das vielleicht weiterlebt auch wenn ich längst wieder weg bin. Im Nachhinein möchte ich meine Erfahrungen auch mit der Öffentlichkeit teilen, um der Reise einen noch nachhaltigeren Zweck zu geben.“

Agorayouth: Hast du dich auf die Reise und dein Ziel speziell vorbereitet?
Sulficar: „Nein, und das ist auch gut so. Ich weiß, dass Lesbos ein heikler Ort ist, und wenn ich über alles Bescheid wüsste, könnte ich womöglich kneifen. Sorgen habe ich keine, aber ich gehe mit vielen Erwartungen in das Camp: Die können dann entweder eintreffen und mich fordern oder nicht eintreffen und mir dadurch die Zeit dort erleichtern.“

Interview: Lisa Brüßler (ehemalige Stipendiatin der Stiftung)

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Ein Gedanke zu “Reise nach Griechenland – und zu sich selbst

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