Agorayouth hat mit dem Jugendarbeiter und Trainer Filaretos Vourkos gesprochen. Als studierter Ingenieur zog es ihn vor zwölf Jahren in die Jugendarbeit: In seiner Heimatstadt Kalamata gründete er die NGO K.A.NE, baute ein Jugendzentrum und das Kalamata Street Festival für die Jugend auf und engagiert sich zwei Jahren auch  in der Hellenic Youth Workers Association.

Agorayouth: Filaretos, Ende Juni hat sich die Hellenic Youth Worker Association in Thessaloniki getroffen. Was ist euer aktueller Stand?
Filaretos Vourkos: Bei dem Treffen haben wir Arbeitsgruppen für unsere Vorschläge an das griechische Bildungsministerium zur Anerkennung der Jugendarbeit als Berufsstand festgelegt. Die Arbeitsgruppen leisten Forschungs- und Recherchearbeit für den Weg der Jugendarbeit im Bildungssektor Griechenlands. Zusätzlich haben wir die Wahlen zum neuen Vorstand im Oktober vorbereitet – momentan haben wir immer noch einen kommissarischen, vorläufigen Vorstand, obwohl der Verein bereits 2015 gegründet wurde. Anfangs ging es sehr stark um den Status der Beschäftigten, weil Jugend- oder Sozialarbeiter kein anerkannter Beruf ist. Zusätzlich dazu haben die allermeisten Kommunen keine Einrichtungen, an die sich junge Menschen wenden können, für Programme, Berufsorientierung usw. Und das in einem Land, in dem die Jugendarbeitslosigkeit dermaßen hoch ist.Agorayouth: Die Jugendarbeiter, die ihr euch jetzt im Verein zusammengefunden habt, haben aber eine große Expertise und einen ziemlich reichen Erfahrungsschatz…
Filaretos Vourkos: Ja, und das, obwohl es keine akademische Ausbildung für Jugendarbeiter in Griechenland gibt und sie auch nicht vom Staat als Profession anerkannt sind. Das Ziel ist es konstruktive Empfehlungen auszusprechen und trotz der unzureichenden Finanzierung gute Ergebnisse und Projekte vorzuweisen. Deshalb hat sich 2015 der Verein gegründet, um Standards zur Aus- und Fortbildung aufbauen zu können und Arbeitsplätze zu finden. Das fand alles auf der persönlichen Ebene und in unserer Freizeit statt – die Kollegen sind schließlich in ganz Griechenland verteilt. Seit März 2017 sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir den Verband auch gegenüber offiziellen Vertretern vertreten.

Agorayouth: Von der politischen Führung gab es schonmal Versuche lokale Jugendzentren zu etablieren.
Filaretos Vourkos: Ja, aber sie glückten nicht, denn als die Finanzierung stoppte, schlossen die Gemeinden die Jugendzentren wieder. Das gleiche passierte auch mit lokalen Jugendringen. Auch der nationale Jugendring ist nicht so aktiv. Das ist einer der Gründe warum wir den Verband aufbauen. Momentan haben wir etwa 50 Mitglieder und 30 warten, dass wir weitere Mitglieder aufnehmen. Der rechtliche Prozess wird hoffentlich bald abgeschlossen sein, sodass wir dann um die 80 Jugendarbeiter sind. Das klingt wenig, ist aber für die griechische Realität eine große Zahl: Ich würde sogar sagen, dass das rund 80 Prozent der aktiven Jugendarbeit und grassroot-Organisationen in Griechenland umfasst.

Agorayouth: Kannst du vereinfacht erklären wie Jugendarbeit in Griechenland stattfindet?
Filaretos Vourkos: Jugendarbeit funktioniert hier größtenteils über Verbände und NGOs, die oftmals aus der (lokalen) Notwendigkeit heraus entstanden sind. Meistens sind es kleine Organisationen und Teams, die unterfinanziert sind und ehrenamtlich oder auf Projektbasis arbeiten. In den meisten Fällen werden Erasmus+ Mittel genutzt, weil es keine anderen Mittel gibt. Die meisten Jugendarbeiter sind sehr jung, es gibt wenige die älter sind. Das hat den einfachen Grund, dass man nicht von dem Einkommen leben kann und viele dann nochmal ihre Profession wechseln. Es kommt zudem sehr darauf an, inwieweit die Kommune Jugendarbeit unterstützt, denn es gibt keinen nationalen Rahmen, der ihnen vorgibt oder hilft, die Rolle der Jugendarbeit zu verstehen oder unterstützen.

Agorayouth: Und warum ist das so?
Filaretos Vourkos: Historisch gesehen fand Jugendarbeit hauptsächlich über die Kirche oder politische Jugendorganisationen statt – also alles andere was wir „unabhängig und frei“ nennen. Natürlich hat sich das ein Stück weit geändert, aber der Habitus ist immer noch ein ähnlicher und es gibt Misstrauen. Deshalb pochen wir darauf eine nationale Strategie zu entwickeln, um bessere Antworten auf die Probleme der Jugendlichen geben zu können. Sie wird allen helfen ihre Arbeit zu machen: Ministerien, Jugendarbeitern, Kommunen und lokalen Behörden. Wir wurden zum ersten Mal von Ministerium und Generalsekretariat zu einer Diskussionsrunde eingeladen um an der Strategie zu arbeiten, das ist sehr positiv. Wir werden sehen, wie weit es vorwärts geht, aber ich glaube schon, dass wir bessere Voraussetzungen haben als jemals zuvor.

Agorayouth: Du warst selbst beim 2. Deutsch-Griechischen Jugendforum im März in Thessaloniki dabei und hast dort auch eure Kritik vorgetragen.
Filaretos Vourkos: Die Ausschreibung zum 2. Jugendforum in Thessaloniki war sehr offen und hat viele Organisationen erreicht. Sobald es eine Datenbank mit den im Feld arbeitenden Organisationen gibt, wird es noch einfacher sein, auch die zu erreichen, die dort vielleicht gefehlt haben. Das ist Basisarbeit, die nicht nur vom Ministerium gemacht werden muss, sondern auch von der Zivilgesellschaft unterstützt werden sollte. Momentan versuchen die Stellen, glaube ich, zu verstehen was falsch lief in der Vergangenheit, um nicht wieder dieselben Fehler zu machen. Wir sind positiv gestimmt und haben die Hoffnung, dass zum ersten Mal der ganze Bereich der Jugendarbeit anerkannt wird und unter eine nationale Strategie gestellt wird, von der die Jugendorganisationen etwas haben. Wenn das nicht Finanzierungsmöglichkeiten sind, dann zumindest Anerkennung, um größeren Einfluss im Lokalen zu gewinnen.

Agorayouth: K.A.NE, die Jugendorganisation, die du in Kalamata aufgebaut hast wird selbstverwaltet von volunteers geführt. Es finden etwa 50 Aktivitäten pro Woche für etwa 800 Jugendliche statt – fast ohne Finanzquellen. Kannst du jetzt in einer anderen Stadt Griechenlands weitermachen?
Filaretos Vourkos (lacht): Vielleicht. Aber ich bin nicht sicher, ob ich nochmal von Null anfangen könnte. Es ist so ein schwieriger Prozess den Leuten zu erklären was das ist, was dort passiert und warum das wichtig ist. Das ist für mich auch der Hauptgrund warum Jugendarbeit anerkannt werden muss. Leute, die sich dafür engagieren, sollten es nicht noch schwerer haben. Schulen und Kommunen müssen Jugendarbeit unterstützen, sie haben oft Räumlichkeiten, Platz, Strukturen und auch Personal, das helfen könnte.

Filaretos Vourkos ist studierter Ingenieur. Über eine Reihe von Zufällen kam er vor 15 Jahren mit Jugendarbeitern, die in europäischen Programmen arbeiteten, in Kontakt und damit seinem Traum etwas näher, einer für ihn sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen: Er begann in internationalen Aktivitäten zu arbeiten und gründete die Jugendorganisation K.A.NE in seiner Heimatstadt Kalamata auf dem Peloponnes. Dazu kommt seine Arbeit als freiberuflicher Trainer in der non-formalen Bildung in ganz Europa.

Interview und Foto: Lisa Brüßler

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